Piraten sind die besten Kunden – auch im Musikgeschäft

Piraten sind die besten Kunden – auch im Musikgeschäft

Vor zwei Wochen berichtete Telepolis über eine unter Verschluss gehaltene Studie, nach der Nutzer von Streamingportalen wie kino.to mehr DVDs kauften, öfter ins Kino gingen und dort mehr Geld ließen als Personen, die keine nicht lizenzierten Angebote nutzen. Nun gab der frühere EMI-Manager Douglas C. Merrill auf der CA World Expo in Sydney zu, dass eigene Studien seines ehemaligen Arbeitgebers ergaben, dass Personen, die über den P2P-Dienst LimeWire unlizenziert Musik herunterluden auch die besten Kunden von iTunes waren. Filesharing sieht er deshalb als “try-before-you-buy marketing”, für das die Musikindustrie nicht einmal zahlen müsse.

Bei EMI war am Freitag niemand zu erreichen, der diese Äußerung kommentieren wollte. Merrill, der vor seiner Zeit bei EMI CIO bei Google war, fiel bereits 2008 mit der Bemerkung auf, dass es Daten gebe, die darauf hindeuten, dass das Phänomen Filesharing Musikern nicht schadet, sondern eher nützt. Deshalb solle man sich genauer ansehen, welche konkreten Formen von Filesharing welche konkreten Auswirkungen haben. “Fans verklagen”, so der damalige Präsident des Bereichs “Digital Business” damals, “scheint mir keine Gewinnerstrategie zu sein”.

Source :  http://www.heise.de/tp/blogs/6/150213

Von : Peter Mühlbauer in Telepolis > Kultur und Medien-News

"Den Klimawandel erfolgreich gestalten"

"Den Klimawandel erfolgreich gestalten"

Hitze, Dürre, Überschwemmungen – am meisten unter der Klimaerwärmung werden die Schwellen- und Entwicklungsländer im “globalen Süden” der Erde leiden. Aber auch die hochindustrialisierten Nationen des Nordens bleiben nicht verschont. Besonders die Bewohner der großen Städte werden von Extremwetterlagen betroffen werden. Erste Projekte und Programme in Deutschland suchen nach Anpassungsmaßnahmen, um das städtische Leben erträglich zu halten. Bisher sind die Ergebnisse der “urbanen Klimaadaption” allerdings bescheiden.

Die Hitzewelle macht den Städtern das Atmen schwer. Wochenlang fällt die Temperatur nicht unter 30 Grad Celsius. In einer dicht geschlossen Glocke über der Stadt stauen sich Hitze, Abgase und Staub. Sogenannte “tropische Nächte” mit durchgängig mehr als 20 Grad Wärme bringen die Menschen um den Schlaf. Heftige Regengüsse verschaffen ihnen zwar kurz Erleichterung – aber die extremen Niederschlagsmengen überfordern die Abwasserleitungen und es kommt zu Überschwemmungen.

Temperatur-Anomalien in Grad Celsius von März bis Mai 2007, basierend auf dem Referenz-Zeitraum von 1961 bis '90. Bild: NOAA

Das ist ein Zukunftsszenario, aber kein unrealistisches. Wer beängstigende Prognosen mag, kann die Beschreibung um beliebig viele katastrophale Auswirkungen der Klimaerwärmung ergänzen. Sie liefert genug Material für gleich mehrere Katastrophenfilme: Kraftwerke und Industrieanlagen stehen still, weil Kühlwasser knapp wird. Deshalb fällt im Stadtgebiet immer häufiger der Strom aus. (Dieser Effekt ist keineswegs aus der Luft gegriffen: Während der Hitzewellen 2003 und 2006 hatten bereits viele deutsche Kernkraftwerke Kühlwasser-Probleme, weil der Wasserstand der Flüsse sank.)

Wer es sich leisten kann, schafft sich einen Stromgenerator an und eine Klimaanlage. Für einzelne Haushalte sind diese Geräte eine Wohltat, aber das Stadtklima verschlechtert sich durch sie noch mehr: durch die Abgase der Motoren, den Stromverbrauch der Klimaanlagen und die Wärme, die sie nach draußen abgeben. Wegen Missernten werden Nahrungsmittel immer teurer. Weil die Kanalisation die plötzlichen Regenmassen nicht aufnehmen kann, fließt Wasser ungeklärt in die Flüsse und Seen. Sauberes Trinkwasser wird knapp. Wegen des wärmeren Klima nehmen Krankheitsüberträger wie Mücken und Zecken überhand und allergieauslösende Pflanzen wie die Ambrosia verbreiten sich noch weiter.

Die Klimaveränderung kommt nicht erst, sie ist bereits da – auch in Deutschland. So ist beispielsweise die Zahl der Hitzewellen und die der heißen Tage (mit einer Maximaltemperatur von über 30 Grad Celsius) seit Mitte des 20. Jahrhundert nachweislich angestiegen. Auch lässt sich zeigen, dass die durchschnittliche Wassertemperatur und die erreichten Spitzentemperaturen des Rheins in den vergangenen dreißig Jahren gestiegen sind. Untersuchungen von Sträuchern wie Schlehe oder Hasel wiederum belegen, dass von 1951 bis heute wegen der höheren Temperaturen die Blüte durchschnittlich 15 beziehungsweise 20 Tage früher beginnt.

In Zukunft wird die globale Durchschnittstemperatur um mindestens zwei Grad Celsius zunehmen. Dann wird sich auch in Mitteleuropa das Klima noch deutlicher ändern. “Zwei Grad mehr”, das klingt nicht unbedingt viel. Aber hinter diesem Durchschnittswert verbergen sich mehr extreme Wetterlagen, beispielsweise längere und intensivere Hitzewellen. Im Winter wird es mehr Niederschläge geben, im Sommer dagegen weniger. Ende des Jahrhunderts, sagt die Mehrzahl der Klimatologen, werden dann Hitzewellen und Unwetter eine neue Qualität erreichen. Dabei sind manche Regionen stärker betroffen als andere. Die oberrheinische Tiefebene beispielsweise (die sich in nord-südlicher Richtung von Frankfurt nach Basel zieht) wird besonders unter Hitze und Dürre zu leiden haben.

Problem “Urbane Wärmeinseln”

Städte sind von der Klimaerwärmung besonders betroffen. Menschliche Siedlungen waren immer schon wärmer als ihr Umland. In dicht besiedelten und bebauten Gebieten speichern Gebäude und Straßen die Hitze und geben sie zeitverzögert wieder ab. Der Energieverbrauch der Stadtbewohner erzeugt zusätzliche Wärme. In Zukunft aber werden die klimatischen Unterschiede zwischen Stadt und Land größer werden. Wegen klimatischer Rückkopplungen werden die mitteleuropäischen Städte immer häufiger zu sogenannten urbanen Wärmeinseln.

Das liegt vor allem daran, dass sommerliche Hochdruckgebiete häufiger werden. Horizontal weht dann wenig Wind, weshalb es kaum Austausch der Luftmassen gibt, während vertikal wärmere Luftschichten wie ein Deckel über dem Gebiet liegen und eine Abkühlung verhindern. Die Sonneneinstrahlung wird außerdem kaum durch Wolken gemildert. Solche Hochdruckzonen können mehrere Tage, gar Wochen am selben Ort verharren und im Durchmesser bis zu 1000 Kilometern groß sein. Die austauscharmen Wetterlagen führen dazu, dass Stadtgebiete, ohnehin wärmer als das Umland, sich immer weiter aufheizen.

Schlimm an solchen Wetterlagen ist unter anderem, dass sich wegen des fehlenden Luftaustauschs Schadstoffe wie Feinstaub oder Stickoxide kaum verteilen. Vor allem steigt die Konzentration von bodennahem Ozon, denn durch Hitze und große Strahlung nehmen dessen Vorgängersubstanzen zu.

Insgesamt werden die Sommer im Mitteleuropa trockener werden. Wenn es aber regnet, wird es sich oft um Sommergewitter handeln, bei denen in kurzer Zeit große Niederschlagsmengen niedergehen. Weil in den Städten der Boden in der Regel versiegelt ist, kann das Regenwasser nicht einsickern oder auf der Oberfläche der Pflanzen bleiben. Sofern die Kanalisation die Flüssigkeit aufnehmen kann und es nicht zu einer Überschwemmung kommt, fließt das Wasser rasch ab – und das Stadtklima profitiert nicht von der Kühlung durch die Verdunstung.

“Vom Mittelmeerraum lernen”

Verdunstung und Luftaustausch – die klimatischen Mechanismen, die für einen räumlichen Temperaturausgleich sorgen – fallen in urbanen Räumen also tendenziell aus. Der Sommer in der Stadt wird zu heiß und zu trocken. Die Stadtplanung könnte darauf reagieren, indem sie “blaue und grüne Infrastrukturen” zurückholt. Dabei steht “Grün” für Grünflächen und “Blau” für Brunnen und offene Kanäle.

Das entsprechende städtebauliche Motto lautet “Vom Mittelmeerraum lernen”. In der mediterranen Welt gibt es schließlich eine lange Tradition, die auf Hitze und Trockenheit reagiert. Verdunstendes Wasser aus frei zugänglichen Brunnen sorgt für Kühlung und eine angenehme Luftfeuchtigkeit. Das direkte Sonnenlicht wird durch schattenspendende Bäume und Arkaden abgefangen. Eine offene Bauweise der Häuser lässt den Wind bis in die Wohn- und Schlafzimmer. Kurz, “grün und blau” machen die Hitze erträglich.

Vieles wäre tatsächlich ohne großen technischen Aufwand möglich und erstaunlich wirksam – nicht nur zur Anpassung an die Klimaerwärmung, sondern auch zu ihrer Abmilderung! Etwa die Bepflanzung von Dachflächen mit immergrünen Gewächsen: solche Dächer senken wegen ihrer isolierenden Wirkung den Heizbedarf im Winter und schützen im Sommer vor Hitze. Ist die Schicht aus Untergrund und Pflanzen mächtig genug, kann sie bei Regen Feuchtigkeit aufnehmen, entlastet dadurch die Kanalisation und ermöglicht eine verzögerte Verdunstung.

Begrüntes Dach in Lower Manhattan. Bild: Alyson Hurt. Lizenz: CC-BY-2.0

Andere, vor allem städtebauliche Maßnahmen sind viel schwieriger umzusetzen und durchzusetzen. Die Städte werden beispielsweise mehr und wirksamere Frischluftschneisen brauchen, die kalte Luftmassen vom Stadtrand in die Innenstadt fließen lassen. Damit der Wärmeaustausch funktioniert, muss es zunächst am Rand der Siedlungen ausreichend große und unbebaute “Kaltluftbildungsflächen” geben. Damit kalte Luft von dort ins Stadtinnere strömen kann, sollten die Grünflächen möglichst miteinander verbunden und mit hohen Laubbäumen bepflanzt sein.

Allerdings liegt bei der urbanen Klimaadaption der Teufel im Detail. Nadelbäume etwa blockieren das Sonnenlicht auch im Winter und steigern so den Heizbedarf der beschatteten Gebäude. Die falschen Bäume und Sträucher verschlimmern die Ozonbelastung sogar noch, weil sie bei großer Hitze biogene Kohlenwasserstoffe abgeben, die zur Ozon-Bildung beitragen. Ein geschlossenes Dach aus Baumkronen über einer viel befahrenen Straße kann zu einer gefährlichen Konzentration der Abgase führen.

Erste Bemühungen um eine Anpassungsstrategie

Insofern geht es bei der urbanen Klimaanpassung auch darum, den Planern zu erklären, was sinnvoll ist und was nicht. Aber es fehlt eigentlich nicht am Wissen, sondern an Taten. “Wir wissen schon lange, was zu tun wäre”, sagt der Klimatologe Wilhelm Kuttler von der Universität Duisburg-Essen. “Es ist Zeit, endlich etwas davon umzusetzen.” Auch Benjamin Bongardt, Referent für Umweltpolitik des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) äußert sich ähnlich: “Die Klimaanpassung muss in die Stadtplanung hinein.”

Klimapolitiker unterscheiden zwischen Mitigation und Adaption – der Vermeidung von Treibhausgasemissionen einerseits und den Anpassungsmaßnahmen, um die Auswirkungen der Erwärmung abzumildern, andererseits. Lange war die Anpassung das Stiefkind der Klimapolitik. Viele scheuten davor zurück, sich mit konkret auf die Klimaveränderung vorzubereiten, weil sie fürchteten, so würde der politische Druck nachlassen, sich doch noch auf eine international verbindliche Mitigation zu einigen.

Allmählich aber ändert sich das – wohl auch, weil die zwischenstaatlichen Klimaverhandlungen keinerlei Vorschritte bringen. Zwar wird weiterhin in regelmäßigen Abständen die Tragikomödie “Die Klimakonferenz tanzt!” aufgeführt (die nächste Vorstellung im November in Durban/Südafrika), aber im letzten Jahr waren die Kohlendioxid-Emissionen weltweit so hoch wie nie zuvor. Sich auf die kommenden Extremwetterlagen einzustellen, ist also sicher sinnvoll.

Bundesweit und regional wird die Anpassung immer ernster genommen. Das Land Berlin beispielsweise verabschiedete vor kurzem einen Stadtentwicklungsplan Klima (STEP). In Modellregionen wird nach optimalen Adaptionsmaßnahmen gesucht. Andere Städte entwickeln Notfallpläne, um die erwarteten extremen Wetterlagen besser zu überstehen.

Auf Bundesebene brachte die Regierung bereits im August 2007 das “Integrierte Energie- und Klimaprogramm” auf den Weg, im Dezember 2008 folgte die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS). Umgesetzt und weiterentwickelt wird die Strategie von dem Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KOMPASS).

Der staatlich organisierte Klimaschutz besteht aus einem schwer entwirrbaren Geflecht von Forschungsverbünden und Modellprojekten. Das Bundesumweltministerium (BMU) bezuschusste Klimaschutzprojekte in den Kommunen und richtete 2008 die Servicestelle: Kommunaler Klimaschutz beim Deutschen Institut für Urbanistik ein. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert im Rahmen der sogenannten Hightech-Strategie sieben Regionen über einen Zeitraum von fünf Jahren mit dem Programm KLIMZUG (“Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten”). Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung wiederum, eine Forschungsstelle des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), beschäftigt sich mit Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel beziehungsweise Urbanen Strategien zum Klimawandel. Zu diesen Forschungsprogrammen kommen noch regionale “Klimabüros”, Kompetenzzentren und (www.klimabuendnis.org) Aktionspläne.

Klimafolgen-Management bisher wenig wirksam

Es geht bei der Adaption um “Klimafolgen-Management”. Ziel ist, “den Klimawandel erfolgreich gestalten”, wie es das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMBF) beispielhaft formuliert. Das klingt zupackend und optimistisch, nach Chancen und Erfolg. Aber was haben die Anpassungsbemühungen bisher gebracht?

Das handfesteste Ergebnis bis jetzt sind wohl die Hitzewarnungen, die der Deutsche Wetterdienst (DWD) seit 2003 veröffentlicht. Ansonsten sind konkrete Maßnahmen rar, abgesehen von vorbildlichen, aber isolierten lokalen Projekten. Selbst die “Aktionspläne” auf lokaler Ebene enthalten keine verbindlichen Vorgaben an Planer und Bauherren, sondern eher wolkige Absichtserklärungen. Institutionen wie der Berliner Liegenschaftsfonds, der die Grundstücke im Besitz des Landes verwertet, könnten den Käufern zwar Klimaadaptionsmaßnahmen vorschreiben – nur tun sie es eben nicht. Dort, wo letztlich die Entscheidungen über die Stadtentwicklung getroffen werden – in den Tiefbau – und Strukturentwicklungsämtern – sieht es ähnlich aus. Welche Gemeinde verzichtet auf den Verkauf einer Brachfläche, um eine Kaltluftkorridor zu schaffen?

Während der Hitzewelle 2003 richtete die Pariser Stadtverwaltung ein Notrufnommer für die Suche nach deren Opfern ein. Bild: Sebjarod. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Aber es liegt nicht nur am ökonomischen Druck, den eigenen Grund und Boden möglichst gewinnbringend einzusetzen, dass es mit der Klimaadaption nicht voran geht. Die Städte und Gemeinden sind in mancher Hinsicht gar nicht handlungsfähig. Um beispielsweise Grünflächen als Kaltluftleitbahnen zu pflegen, sind mehr und gut ausgebildete Arbeitskräfte nötig. Wohnungsbaugesellschaften, die als Vorbild für eine angepasste Bauweise dienen könnten, werden privatisiert oder verkaufen Wohnungen in großem Umfang.

Ende diesen Monats wird die Bundesregierung den neuen “Aktionsplan Anpassung” veröffentlichen. Darin soll erstmals Bilanz gezogen werden, was die bisherigen Adaptionsbemühungen gebracht haben. Die Hitzewelle im Sommer 2003 kostete in Europa 70 000 Menschen das Leben. Es steht zu befürchten, dass noch viele solche Katastrophen nötig sein werden, bis sich wirklich etwas bewegt.

Source :  http://www.heise.de/tp/artikel/35/35200/1.html

Von :  Matthias Becker in Telepolis > Energie

Wellenkraft wird nun kommerziell genutzt

Wellenkraft wird nun kommerziell genutzt

Die Wellen im Baskenland sind berühmt. Vor allem schätzen Surfer die große nach links brechende Welle mit ihren Tubes vor dem Dorf Mundaka. Nicht weit entfernt von Mundaka liegt auch das Mutriku, wo kürzlich weltweit das erste kommerziell genutzte Wellenkraftwerk ans Netz gegangen ist. Dem Hafen vorgelagert wurde eine Mole errichtet, die es im wahrsten Sinne des Wortes in sich hat. Sie schützt nicht nur den Hafen vor den in stürmischen Zeiten haushohen Wellen, sondern im Inneren des Betonklotzes erzeugen 16 Turbinen nun 300 Kilowatt Strom.

Es weht ein lauer Südwind und das Meer schwappt nur lustlos gegen den grauen Betonklotz, der sich vor dem baskischen Dorf Mutriku mit einer Höhe von gut 16 Metern einen halben Kilometer in den Atlantik schiebt. Denn wenn Südwind aus Spanien weht, werden die Wellen in dem Dorf zwischen Bilbao und Donostia-San Sebastian klein geblasen. Dann kann man sich kaum vorstellen, dass es sich lohnen könnte, ausgerechnet hier das erste kommerzielle Wellenkraftwerk weltweit ans Netz gehen zu lassen.

Wellen sind nun vom Damm aus kaum auszumachen, in dessen zentralen Teil auf 75 Metern 16 Turbinen verteilt sind, die in seinem inneren Strom produzieren. Nur acht vergitterte Öffnungen weisen darauf hin, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Mole handelt.

Mole mit Turbinen. Bild: Ralf Streck

Doch es gibt die Brecher von enormer Kraft. Sie werden wegen des Klimawandels auch hier immer stärker und höher. Etliche schwere Stürme, die in den letzten Jahren unter dem Namen “Ciclogenesis explosiva” in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sind, zeugen davon. Die explosiven Zyklogenesen, die auch den Golf von Biskaya in den letzten Jahren immer öfter heimsuchen, haben wie 2009 viele Wellenbrecher an der Atlantikküste zerstört. Doch statt die alte Mole zu reparieren, entschlossen sich die Verantwortlichen zu einem Großprojekt. Die neue Mole, die dem Hafen vorgelagert ist, wurde auf eine Dicke von fast 7 Metern weiter verstärkt, damit der Damm auch Wellen mit einer Höhe von 9,2 Metern aushalten kann.

Das Wellenkraftwerk Mutriku bei richtigem Wellengang. Bild: Voith

Der Betreiber des Kraftwerks im Inneren der Mole ist der baskische Energieversorger “Ente Vasco de la Energía” (EVE). Er wurde 1982 von der baskischen Regierung zur Förderung erneuerbarer Energien gegründet. EVE hat in das Wellenkraftwerk von Mutriku 2,3 Millionen Euro investiert. Umgesetzt wurde das Projekt unter Mitwirkung von Voith Hydro, ein Gemeinschaftsunternehmen von Voith und Siemens. Gesetzt wird auf die OWC-Technologie (oscillating water column = oszillierende Wassersäule), welche die Firma seit zehn Jahren aus Forschungszwecken auf der schottischen Insel Islay mit dem Wellenkraftwerk Limpet betreibt.

Die 16 von Voith Hydro in dem Damm installierten Wellsturbinen bilden das Herzstück des Kraftwerks. Das Prinzip beruht darauf, dass die Wellen nicht direkt angezapft werden, sondern das Wasser in “pneumatische Kammern” (Betonröhren) gedrückt und im Wellental wieder herausgezogen wird. Damit wird die Luft in den Röhren komprimiert und zurückgesaugt, wodurch jeweils ein schneller Luftstrom entsteht, der die Wellsturbinen antreibt. Die produzierte Strommenge ist eher gering. Mit den bis zu 300 Kilowatt und der Jahresleistung von geschätzten 660.000 kWh können nur 250 Haushalte oder 600 der etwa 5.000 Einwohner in Mutriku mit Strom versorgt werden.

Hafen Mutriko Mole mit Turbinen im Hintergrund. Bild: Ralf Streck

Doch es geht darum, die Potentiale der Wellenkraftwerke auszuloten. Die Größe der derzeitigen Anlagen lasse noch keine Aussage zu, “ob das einer der wichtigen Energieträger der Zukunft ist”, so der Wellenkraftexperte Kai-Uwe Graw von der Technischen Universität Dresden. Er verweist dabei auf die ersten Windräder, die zunächst auch verhältnismäßig klein waren und wenig Leistung hatten. Doch ob das Kraftwerk in Mutriku nun unter kommerziellen Bedingungen funktioniert, könne jetzt bewiesen werden, meint Graw.

Einwehungsplatte. Bild: Ralf Streck

Der baskische Energieversorger hofft, dass 2.000 Betriebsstunden im Jahr zusammen kommen, in dem das Kraftwerk mit voller Leistung betrieben werden kann. Der EVE-Direktor José Ignacio Hormaetxe hat bei der Einweihung der Anlage erklärt, dass mit dem Wellenkraftwerk nicht nur der Weg für Privatfirmen geebnet, sondern auch der Anteil von erneuerbaren Energien am Strom-Mix im Baskenland gesteigert werden soll. Die kommerzielle Anlage wird im Betrieb durch Spezialisten der baskischen Universität studiert, um die Leistung der Turbinen zu steigern. Das ist dringend notwendig. Zwar hat EVE keine genauen Zahlen vorgelegt, räumt aber ein, dass diese Art der Stromerzeugung bisher sogar noch teurer ist als Strom aus Solarzellen.

Mole mit Turbinen. Bild: Ralf Streck

So verwundert es nicht, wenn Dr. Roland Münch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Voith Hydro, eine “angemessene Einspeisevergütungen für Wellenkraft” fordert. In Spanien, das viele Milliarden Euro für lange Jahre durch stark überhöhte Solarsubventionen gebunden hat, wird Wellenkraft wegen der praktisch leeren Kassen in der tiefen Wirtschaftskrise nicht gefördert.

“Das Projekt Mutriku zeigt: Unsere Technologie zur Nutzung der Wellenkraft ist kommerziell einsatzfähig und steht bereit für den weiteren Einsatz im globalen Markt”, erklärte Münch. Diese Entwicklung müsse gefördert werden, indem die richtigen politischen Rahmenbedingungen gesetzt werden, fügte er an. Denn die Firma spricht von einem gigantischen Potenzial. Das weltweite Potenzial der Meeresenergien liege bei 1,8 Terawatt und stehe erst am Beginn seiner weltweiten Erschließung. Münch hebt besonders hervor, dass die Technologie sowohl in bestehende Wellenbrecher und Hafenmauern als auch in Neubauten integriert werden kann. Damit ergebe sich eine hohe wirtschaftlich Synergie bei minimalen Eingriffen in die Umwelt.

Mole mit Turbinen. Bild: Ralf Streck

Doch in Mutriku kann von minimalen Eingriffen in die Umwelt nicht gesprochen werden. “Schön ist das nicht”, meint die junge Dorfbewohnerin Ainara Lertxundi. Sie zeigt auf den breiten Damm, der sich nun vor den Hafen schiebt und vielen den freien Blick auf das geliebte Meer versperrt. Viele im Dorf sehen das Bauwerk aus verschiedenen Gründen mit gemischten Gefühlen.

Wie die Umweltschutzorganisation Eguzki (Sonne) wandte sich auch die lokale Initiative Hobetu Leike gegen diesen Damm. Das hat nichts damit zu tun, dass hier eine neue Energieform genutzt wird und gleichzeitig die Fischerboote effektiv vor den Wellen geschützt werden. In dem Fischerdorf sehen das eigentlich alle als eine Notwendigkeit an. Viele stören sich eher daran, dass gleichzeitig noch ein Sporthafen geschaffen wird und der kleine Strand verschwunden ist.

Auch Eguzki hält es grundsätzlich für “positiv”, bestehende Anlagen zur Stromproduktion zu nutzen, und schlägt dafür auch Santurtzi, Bermeo, Orio oder Hondarribia vor, um in den Molen Wellenstrom zu produzieren. Doch letztlich einem Hafenausbau, wie in Mutriku, einen grünen Anstrich zu geben, “ist nicht der richtige Weg”, kritisiert die Umweltschutzorganisation. Letztlich wurden nur 2,3 der 6,7 Millionen Euro für das Kraftwerk ausgegeben. Die Organisation warnt vor einer Ausbreitung des Modells, wie es sich aus Ankündigung hochrangiger Politiker ableiten ließe. Mit derlei Bauwerken ließen sich “hohe Umweltkosten nicht rechtfertigen”, die zudem für viele Kontroversen sorgten.

Hafen Mutriko Mole mit Turbinen im Hintergrund. Bild: Ralf Streck

Einen wirklich starken Widerstand gab es in Mutriku gegen den Damm aber nicht. Im Gespräch mit den Bewohnern scheint sogar bei Zweiflern und Gegnern ein wenig stolz durch, dass hier vielleicht Historie geschrieben wird. Denn in einem Dorf wie Mutriku wäre ein solches Projekt in dieser Region nicht durchsetzbar, wenn es eine klare Ablehnungsfront gäbe. Das haben spanische Atomkraftwerksbetreiber teuer lernen müssen. In der Region waren einst drei Atomkraftwerke geplant. Trotz des massiven Widerstands wurde nur Lemoiz gebaut, das aber nie ans Netz gegangen ist.

Denn in Mutriku und der Region dominiert die kämpferische linke baskische Unabhängigkeitsbewegung. Das wird im Dorf schon dadurch deutlich, dass aus vielen Wohnungen Spruchbänder hängen, welche die Freiheit der politischen Gefangenen fordern. Den Gemeinderat dominiert klar die Linkskoalition Bildu (Sammeln), die 8 von 13 Gemeinderäten stellt. Die beiden großen spanischen Parteien kamen dagegen im Mai gemeinsam nur auf 3,5% der Stimmen.

Von der Ablehnung der großen Mole hat allerdings eine unabhängige linksgrüne Liste profitiert, die fast 9% erhalten hat. Statt des monströsen Damms hat die Liste nach holländischem Vorbild eine künstliche Insel als Wellenbrecher gefordert.

Source : http://www.heise.de/tp/artikel/35/35149/1.html

von : Ralf Streck in Telepolis > Energie