Der bayerische Umweltminister Marcel Huber will zum Ausstieg aus der Atomenergie die Wasserkraft als “CO2-neutrale, grundlastfähige und dauerhaft verfügbare erneuerbare Energiequelle” deutlich ausbauen. Dazu will er bis zum Herbst einen Zehn-Punkte-Fahrplan und eine “Gebietskulisse” für einen Ausbau dieser Energieform vorlegen, die seinen Worten nach “einen wichtigen stabilisierenden Beitrag leisten kann, die Diskontinuität der anderen Ökoenergien auszugleichen”. Denn Wind weht nur manchmal, die Sonne scheint selbst im Idealfall nur tagsüber und Gas aus Russland kommt auch nur dann durch die Leitung, wenn es dort nicht gerade selbst gebraucht wird.

Damit in langen kalten Wintern der Strom auch dann nicht ausfällt, wenn die jetzt noch laufenden Kernkraftwerke abgeschaltet sind, will Huber darüber hinaus in den Ausbau der Netze und in die Speicherung volatiler Energien investieren. Neben der Erforschung chemischer Langzeitspeicher betrifft dies auch die bereits jetzt wirtschaftlich einsetzbare Pumpspeichertechnologie, für die das Umweltministerium 2012 eine Studie mit möglichen Standorten veröffentlichen will.

Wasserkraftwerk am Olchinger Mühlbach. Foto: Richard Huber. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Kritik am Ausbau der Wasserkraft, der Netze und der Speicher kommt bislang fast ausschließlich vom organisierten Naturschutz. Der will sogar verhindern, dass die Umgestaltung der Donau für den Schiffsverkehr zwischen Straubing und Vilshofen in einer Form durchgeführt wird, die die Integration von Wasserkraftwerken erlaubt. Mehrheitsfähig dürfte solch eine Position nach dem Atomausstieg allerdings nur sehr bedingt sein: Die BR-Sendung Quer hatte in einem Beitrag zu diesem Thema offenbar so große Mühe, eine Donaustaustufengegnerin aus dem einfachen Volk zu finden, dass sie schließlich auf eine Kanufahrerin zurückgreifen musste, die ihren Luxussport auch weiterhin kostenlos vor der Haustür ausüben will.

Ähnlich verhält es sich beim Bau von Stromtrassen und von Pumpspeichern. Die Naturschutzbürokratie stellt sich hier auf den Standpunkt, dass man Strom lieber so auspreisen sollte, dass er dann verbraucht wird, wenn gerade viel davon zur Verfügung steht. Doch “intelligente” Stromzähler eröffnen Energieanbietern zwar die Möglichkeit zu Kostenfallen (und damit zu mehr Profit) – ihr Einsparpotenzial dürfte aber sehr gering sein: Denn weder das Kochen noch das Beleuchten oder der Betrieb von Freizeitelektronik lassen sich zeitlich beliebig verschieben. Und wenn Waschmaschine und Geschirrspüler nachts plötzlich anspringen und Nachbarn in Mietshäusern regelmäßig um drei Uhr wecken, kommt sehr schnell Lynchstimmung auf.

Außerdem empfiehlt man beim Bund Naturschutz die umfassende Wärmedämmung von Häusern und Photovoltaikanlagen auf dem Dach. Gegen das läuft jedoch eine andere Gruppe Sturm: die Denkmalschützer. Beide Arten von Bedenkenträgern wurden in den vergangenen Jahrzehnten mit beträchtlichen Mitteln öffentlich gefördert und vor allem in den 1970er und 1980er Jahren groß – einer Zeit, in der man massiv auf Atomkraft setzte und meinte, man könne sich ob der Energiefülle, die Kernkraftwerke auf kleinstem Raum liefern, so manchen konservatorischen Luxus in anderen Gegenden erlauben.

Seit einem Jahr hat sich die deutsche Politik jedoch von der Atomenergie verabschiedet. Deshalb müssen nicht nur die Gesetzgeber, sondern auch Behörden und Gerichte neu zwischen Rechtsgütern abwägen, wenn sie über Bauvorhaben entscheiden. Dabei müssen sie auch berücksichtigen, dass ein Blackout im 21. Jahrhundert wesentlich schlimmere Folgen haben würde als vor 30 oder 40 Jahren. Denn heute läuft praktisch keine Heizung mehr ohne Strom. Und Kohleöfen, mit denen man das Schlimmste verhindern könnte, gibt es schon wegen der geschlossenen Kamine kaum mehr irgendwo.

Source : http://www.heise.de/tp/artikel/36/36543/1.html

Von Peter Mühlbauer in Telepolis > Politik > Meinung