Wenn in Kalifornien ein Fahrrad umfällt…

Wenn in Kalifornien ein Fahrrad umfällt…

Ein Radunfall in Kalifornien. Der Fahrer erwacht am Rand einer bergab verlaufenden Straße aus seiner Bewusstlosigkeit. Er vergewissert sich: Schürfwunden am Bein und am rechten Handrücken (!), eine tiefere Fleischwunde am Knie, der Kopf wurde zum Glück durch den Helm, der auf der einen Seite bis fast zur Schaumstoffeinlage abgeschliffen wurde, geschützt. Den herbeigerufenen Sanitätern kann er ein “A and O times 3” melden. D.h. er kann auf drei der “Alert-und Orientiation”-Fragen antworten: “Wer sind Sie, wo sind Sie und welches Datum bzw. welche Uhrzeit haben wir?”

Er hätte “A and O times 4” lieber gehabt, denn auf die Frage, wie er dorthin gekommen war, wo er sich jetzt befand, hatte er keine Antwort.

Dass es ein Sturz war, der ihn in diese Lage gebracht hatte, daran gab es keinen Zweifel, die Schürfwunden, der beschädigte Helm und das kaputte Rad waren eindeutige Zeichen. Doch wie es dazu kam, war dem Mann ebenso rätselhaft, wie die Schürfwunden am Handrücken. Normalerweise sind es doch die Innenseiten der Hände, die beim Abfangen eines Sturzes den schmerzhaften Bodenkontakt eingehen. Er kann sich nicht an den Sturz erinnern, sein Kopf hat, wie sich erst später herausstellt, nur Bruckstücke aus der Zeit unmittelbar vor dem Sturz gespeichert. Für den Radfahrer Anlass zu sorgenvollen Fragen, ob er nicht vielleicht an Störungen leidet, die zur Ohnmacht führen konnen, so dass er bereits vor dem Sturz bewusstlos war.

Vogelperspektive

Reconstructing a Bike Crash

Beim TV-Schauen der Tour de France von seinem Krankenlager aus kommt er durch die Vogelperspektive der Kameras auf die Idee, seinen Unfall mit einem GPS-Gerät zu rekonstruieren, wie es unter Geo-Cachern benutzt wird. Mit Hilfe der Daten seines Geräts kann er seine Tour am Rechner zurückverfolgen und kann via Google-Maps sehr genau die Stelle orten, wo sich sein Tempo stark vermindert hat, ohne dass sich sein Pulsschlag verlangsamt hätte.

“My Garmin was unharmed, and when I uploaded the data I could see that in the roughly eight seconds before I crashed, my speed went from 30 to 10 miles per hour – and then 0 – while my heart rate stayed a constant 126. By entering the GPS data into Google Maps, I could see just where I crashed.”

Er begibt sich an Ort und Stelle und findet ein “langes dünnes und tiefes Schlagloch”. Manche Erinnerung kommt wieder, so etwa, dass seine Hände vom Lenker losgeschlagen wurden, er sie aber wieder an die Bremsen brachte und sie bis zum Sturz nicht mehr losließ. Die rechte Hand blieb dran und wurde offensichtlich beim Sturz in der Haltung eingeklemmt, in der der Rücken am Boden war.

“booming new industry for experts”

Die Geschichte der Rekonstruktion des Unfalls ist in der New York Times nachzulesen, sie ist nicht nur wegen der privatbiografischen Ermittlungsarbeit des Radfahrers interessant, sondern weil sich darin Hinweise finden, dass die Geo-Caching-Geräte künftig bei versicherungstechnischen Ermittlungen eine größere Rolle spielen können.

Es sei sogar wahrscheinlich, dass daraus ein lukrativber Geschäftszweig für Versicherungsexperten entstehe, wird ein Anwalt zitiert: “It’s important for people who are representing the injured people or the insurance companies to know how to obtain and analyze the data.” Unterlegt wird dies mit einem Fall, wo ein Radfahrer, der mit einem Auto kollidierte – und einer Fahrerin, die gegenüber der Polizei abstritt, dass sie ihn überhaupt berührt habe, durch die Daten seines GPS-Gerätes später recht bekam.

Zwar seien Spuren am Auto zu erkennen gewesen, aber da die Polizei keine sicheren Angaben darüber machen konnte, woher der Radfahrer kam, konnte die Schuldfrage für die Versicherung der Autofahrerin so ausgelegt werden, dass sie nicht zahlen musste. Die Polizei wollte die Bagatelle nicht weiterverfolgen, doch brachte sie den Radfahrer auf die Idee, die Daten des GPS-Gerätes an die Versicherung der Autofahrerin zu schicken. Einen Tag später, so der Zeitungsbericht, war die Versicherung bereit zu zahlen.

Mitte August hatte bereits ein Artikel in Wired darauf aufmerksam gemacht, dass elektronische Geräte im Auto, die über Positionen und Geschwindigkeiten informieren, für Versicherungsagenten wertvolle Datenquellen sein können.

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/6/150435

Von : Thomas Pany in Telepolis > Kultur und Medien-News

Parken als Hauptaufgabe von Autos.

Parken als Hauptaufgabe von Autos.

Vor einigen Jahren gab es in der FAZ-Beilage “Technik und Motor”, deren Autotests manches Mal durch Wortwahl und Beschreibungen glänzen, so dass sich damit die ganze Besatzung eines Stehausschanks unterhalten läßt, einen Bericht über technische Weiterentwicklungen bei den Einparkhilfen – der sich leider nicht mehr auffinden lässt. Haften blieb aber das beinahe kulturpessimistische Fazit, das der Idee folgte, die Welt der Autofahrer würde damit langweiliger.

Tatsächlich gibt es aber auch 2011 noch aufregende Abenteuer beim Einparken zu erleben, wenn es etwa gilt, an einem Frühlingssamstagvormittag den letzten freien Parkplatz vor einem Gartencenter zu belegen und der Gegner ein schwerfälliger Audi Q 7 ist, der eigentlich später kam, dessen Besatzung, b-prominente Gattin samt Weimaraner, aber aussteigt, um eben diesen Platz zu “reservieren”..Geschicklichkeit wird auch dort verlangt, wo sich die einzige und ziemlich knappe Lücke zwischen Edelkarrossen vor einem gut gefüllten Straßencafé auftut.

Dass piepsende Warnsignale an Bord neuerer Autos nicht immer vermögen, was der FAZ-Autor damals mit einiger Schwermut argwöhnte, war neulich deutlich am lauten scheppernden Aufschrei eines widerspenstigen eisernen Einfahrtstores zu hören, das vom Heck eines A-Klasse-Fahrzeugs zurück in seine Halterung gestoßen wurde, leider auf Höhe der Rückleuchten. Nur die Frau, die gleich darauf ausstieg, war noch lauter. Sie war es auch schon zuvor im Wageninneren, wie der Gatte draußen betonte.

Alte Kulturtechnik und Vorurteile

Allen technischen Innovationen zum Trotz: Thema Nummer 1 beim Einparken – weitergehende Interpretionen von Filmwissenschaftlern, die es als Metapher für den Liebesakt begreifen, einmal unberücksichtigt – bleibt der Geschlechterkampf, wie das obige Beispiel andeutet und eine aktuelle Umfrage im Auftrag von Ford dokumentiert. Die Studie war, so berichtet das Handelsblatt, im Zusammenhang mit der Markteinführung Fords von “automatischen Parkassistenten” in Auftrag gegeben worden.

Das Ergebnis könnte auch aus dem letzten Jahrhundert stammen: In Deutschland meinen 60 Prozent der befragten 870 Autofahrer und 40 Prozent der Autofahrerinnen, “dass Männer ein Auto grundsätzlich besser einparken können als Frauen”. Der gegenteiligen Ansicht waren insgesamt nur 14 Prozent – und nur jede vierte Frau.

Ebenfalls ein Viertel, diesmal Männer wie Frauen, gestanden darüberhinaus, dass sie immer mehrere Einparkversuche brauchen, was laut >Handelsblatt Freude bei Fordmanagern auslösen könnte, weil Einparkhilfen möglicherweise ein Verkaufsargument sind.

Fußgängerparadiese

Manches deutet daraufhin, dass Parken künftig zur Hauptaufgabe von Autos wird, bei immer weniger Parkplatzangebot in der Stadt. Ob Einparkhilfen dadurch nötiger werden, steht allerdings noch nicht fest. Denn außerhalb der engen Straßen in den Innenstädten finden auch Zivilsationsaussteiger in alten Wohnmobilen lässig Platz ohne großes Manövrieren (und ohne sich vor einem Fachpublikum wie auf dem Campingplatz auszeichnen zu müssen): Europa hat eine Umkehr in der Parkplatzpolitik vollzogen, einen “U-Turn”, so das Ergebnis einer Untersuchung des amerikanischen Institute for Transportation and Development im Januar dieses Jahres.

Parking is everywhere in the United States, but it’s disappearing from the urban space in Europe

Die zugrundeliegende Strategie, Autos von Innenstädten fernzuhalten und das Parken außerhalb als bessere Option zu favorisieren, wird auch von einem aktuellen Bericht in der New York Times mit ungläubigen Staunen aufgenommen. Sieht es nach der Auffassung der Zeitung doch ganz so aus, als ob die Europäer – modellhaft werden die Städte Kopenhagen, Wien, Zürich und München genannt – “Fußgängerparadiese” errichten wollen, statt, wie in den USA, die Mobilität der Autofahrer in den Städten zu verbessern.

Demgegenüber würden in den genannten europäischen Städten Autofahrer von außerhalb durch Rotphasen auf den Zugangsstraßen in die Innenstädte, durch “Umweltzonen” und gesalzen teueres Parken bei immer weniger Parkangebot so frustriert, dass immer mehr Autofahrern die Angebote der öffentlichen Verkehrsmittel (Park&Ride) lukrativer erscheint.

Sihl City, a new Zurich mall, is three times the size of Brooklyn’s Atlantic Mall but has only half the number of parking spaces, and as a result, 70 percent of visitors get there by public transport, Mr. Kodransky (der Autor der o.g. “U-Turn-Studie”, Anm. d. Verf.) said.

In Copenhagen, Mr. Jensen, at the European Environment Agency, said that his office building had more than 150 spaces for bicycles and only one for a car, to accommodate a disabled person.

Als Resümé zitiert der Artikel einen Vertreter der Zürcher Stadtverwaltung, der sich in anderen Städten nur schwer daran gewöhnen kann, dass er so oft und so lange darauf warten muss, bis er die Straße überqueren kann. Er könne den Gedanken nicht ausstehen, dass er als Fußgänger weniger wert sei als ein Auto: “I can’t get used to the idea that I am worth less than a car.”

Source : http://www.heise.de/tp/artikel/35/35030/1.html

Von : Thomas Pany in Telepolis > Kultur