Schockwellenreiter mit Blasphemieparagrafen angeklagt

Schockwellenreiter mit Blasphemieparagrafen angeklagt

Der “Schockwellenreiter” Jörg Kantel ist einer der ersten deutschen Blogger und ein Freund klarer Worte. Am 29. Juni verwendete er im Rahmen einer Meldung dazu, dass der Kölner Kardinal Joachim Meisner die Abtreibung als “täglichen Super-GAU” bezeichnete, einen kindsmissbrauchs- und mitgliedermanipulationskritischen Kraftausdruck, den der Lawblogger und Strafverteidiger Udo Vetter heute twitterte.

Am 5. Juli erhielt Kantel deshalb ein Schreiben, in dem ihn der Berliner Polizeipräsident darüber informierte, dass man ihm die “Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen” vorwirft. Der Blogger reagierte darauf mit der Veröffentlichung des Vorwurfs und der Bemerkung, dass man Religionen gar nicht beleidigen könne, weil sie selbst “eine Beleidigung jeglichen gesunden Menschenverstandes” seien.

Das überzeugte die Berliner Staatsanwaltschaft aber offenbar nicht, denn am letzten Wochenende ging Kantel eine Anklageschrift zu, die sich auf den § 166 des Strafgesetzbuchs (StGB) stützt, in dessen Absatz 2 es wörtlich heißt, dass derjenige, der “eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung [beziehungsweise] ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören”, mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden kann.

Die Vorschrift kam in der Vergangenheit unter anderem im Fall einer Frau zur Anwendung, die auf einem Flugblatt die Meinung geäußert hatte, die katholische Kirche sei eine “Verbrecherbande”. Sie verlor Mitte der 1980er Jahre einen Strafprozess vor dem Landgericht Göttingen und dem Oberlandesgericht Celle. In den 1990er Jahren wurde mit Hilfe des § 166 das Musical Das Maria-Syndrom verboten, in dem eine unbefleckte Empfängnis durch eine schmutzige Klobrille erklärt wird. Damals nahm das Bundesverfassungsgericht den Fall nicht an.

Allerdings ist nicht sicher, ob die sehr unbestimmte und damit für den Willküreinsatz anfällige Vorschrift erneut den Instanzenweg übersteht, wenn jemand die Zeit und das Geld aufwendet, sie in Frage zu stellen. Kantel, dem zahlreiche Schockwellenreiter-Kommentatoren bereits ihre Prozessspendenbereitschaft zusicherten, sucht zwar einen Anwalt, hat aber gleichzeitig angekündigt, im Falle zu großer finanzieller Belastungen das “Experiment Schockwellenreiter” zu beenden und künftig nur mehr anonym aus Island zu bloggen, das sich zu einer Zufluchtsstätte für die Meinungsfreiheit entwickeln will.

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/6/150836

Von : Peter Mühlbauer in Telepolis > Kultur und Medien-News

Siehe auch : http://www.daisymupp.net/2012/02/der-blogger-und-der-kardinal/

Schockwellenreiter mit Blasphemieparagrafen angeklagt

Düsseldorfer Kulturdezernent zur Rehabilitierung der “Hexen” bekehrt

Inzwischen hat sich auch am Rhein die Auffassung durchgesetzt, dass die beiden 1738 wegen angeblicher Hexerei auf dem Scheiterhaufen hingerichteten Frauen Helena Curtens und Agnes Olmans sozialethisch rehabilitiert werden sollen. Nachdem sich mancher anfangs noch gesträubt hatte, schwor man nun allgemein der Irrlehre ab. Kulturdezernent Lohe betonte, Hexenurteile seien Unrechtsurteile, wies jedoch auf das juristische Problem hin, dass die Stadt nicht Rechtsnachfolgerin des damaligen Schöffengerichts sei. Die Stadt kann daher das Urteil nicht förmlich aufheben, was so allerdings auch nicht beantragt war. Der Beschwerdeausschuss der Stadt Düsseldorf empfahl nunmehr einstimmig, den Frauen zu gedenken und ein mahnendes Zeichen gegen die Ausgrenzung Andersdenkender zu setzen. Angedacht hierzu sind die Benennung von Straßen nach den Opfern, eine Dauerausstellung im Stadtmuseum und eine Vortragsreihe.

Die Einigkeit in Düsseldorf dürfte nicht unwesentlich mit dem Unmut über einen geradezu fundamentalistischen Gegenantrag zusammenhängen: Der Diplom-Theologe Bernhard Meisen fühlt sich offenbar den damals 30 führenden Dämonologen und Juristen verpflichtet, welche seinerzeit das Gericht berieten. Meisen zufolge sei das Urteil nach der damaligen Rechtsprechung “so in Ordnung gewesen”. Durch eine wie auch immer geartete Rehabilitierung werde sein katholischer Glaube in “elementaren Teilen in Frage gestellt”. Er sehe sich in seiner Religionsfreiheit beeinträchtigt, ließ er die RP-Online wissen. Meisen hält es für unstrittig, dass die Frauen “in abergläubische Praktiken und phytotherapeutisches Detailwissen involviert waren” – angesichts des unter Folter gepressten Geständnisses der Frau Olmanns und der durch eine Nadelprobe überführten 14jährigen Frau Curtens eine bemerkenswerte Sichtweise. Meisen untermauerte seine moralische Bewertung der Frauen mit dem Hinweis darauf, diesen sei auch “sexuelle Ungeordnetheit” vorgeworfen worden.

Der erboste Theologe kündigte an, erforderlichenfalls den Klageweg zu beschreiten, denn der offizielle Akt, den Opfern die ,Menschenwürde’ zurückzugeben, würde alle Teilhaber am Feudalsystem, die untergeordnet waren, zu Opfern einer “irregeleiteten Politik” machen, da sie “unterworfen” wurden. Damit würde man aber das Neue Testament und den Apostel Paulus kritisieren, der dieses System unterstützt habe. Zwar lehnt auch Meisen die Verbrennung als übertriebene Rechtsfolge ab, jedoch dürfte es schwierig werden, die exekutierten Frauen nachträglich etwa mit Sozialstunden zu belegen.

Ob sich der fromme Theologe, der anscheinend Hexen und sexuelle Ungeordnetheit fürchtet, nur auf den Rechtsweg beschränken wird oder ob er auch erwägt, sich aus Protest selbst zu verbrennen oder wenigstens sein Diplom, ist derzeit ungewiss. Bei derartigem Bodenpersonal werden pubertierende Frauen, die in Düsseldorf von Geistern träumen, wohl eher zu therapeutischen als zu kirchlichen Hilfsangeboten tendieren. Die Wahrheitsfindung durch Hexenprobe wird jedenfalls auch von den Düsseldorfer Gerichten nicht mehr anerkannt.

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/6/150791

Von : Markus Kompa in Telepolis > Kultur und Medien-News

Schockwellenreiter mit Blasphemieparagrafen angeklagt

Musikdateien ohne DRM können Raubkopieren reduzieren

Kopierschutz und Verwendungsbeschränkungen durch Digital-Rights-Management-Systeme verhindern nicht Urheberrechtsverletzungen, sondern tragen eher dazu bei, diese zu fördern. Dass DRM-Beschränkungen nach hinten losgehen, ist keine ganz neue Erkenntnis, Dinah Vernik von der Rice University und Devavrat Purohit sowie Preyas Desai von der Duke University haben dies nun im Hinblick auf die Musikbranche noch einmal bestätigt.

Für ihre Studie, die in der Zeitschrift Marketing Science erscheinen wird, haben sie in einem Modell untersucht, wie Urheberrechtsverletzungen bzw. Raubkopieren und Verkäufe durch DRM-Beschränkungen beeinflusst werden. Verglichen wurden dabei CD-Käufe auf der einen Seite und legale digitale Downloads mit oder ohne DRM sowie illegale Downloads. Zwar machen DRM-Systeme das Raubkopieren schwerer und teurer, aber was entscheidender ist, sie wirken sich negativ auf die Benutzer aus, die eigentlich kein Interesse haben, etwas Illegales zu tun, die sich aber etwa darüber ärgern, dass sie selbst von legal erworbenen Musikdateien nicht einmal Sicherheitskopien anlegen können. Man bezahlt also brav, wird aber in der Nutzung der gekauften Dateien eingeschränkt, während die Raubkopierer nichts zahlen müssen und zudem freie Hand haben, also klar im Vorteil sind. Konsumenten würden auch aus diesen Gründen auf Raubkopien umsteigen.

Das Anbieten von DRM-freien Musikdateien müsse aber keineswegs das Raubkopieren verstärken, sondern könne es sogar reduzieren, so die Wissenschaftler nach Auswertung ihrer Berechnungen. Digitale Dateien, die DRM-frei sind, gleichen eher den Nutzungsmöglichkeiten, die der Käufer besitzt, wenn er sich eine CD kauft und in der Konkurrenz mit dem traditionellen Format würden dann wieder eher legale Downloads von Musikstücken gemacht werden, während die Zahl der Raubkopierer sinke, aber auch die Zahl der CD-Verkäufe.

Insgesamt würde die Zahl der legalen Verkäufe steigen, was hieße, dass keine Verluste gemacht würden, zumindest wenn das Modell auch in der Wirklichkeit zutrifft. Zudem könne der Anbieter digitale Downloads, die DRM-frei sind, auch zu einem höheren Preis verkaufen, weil der Konsument nicht in der Nutzung eingeschränkt ist. Ähnliches sei auch bei anderen digitalen Produkten wie Filmen, Bücher oder Hörbüchern der Fall, behaupten die Wissenschaftler. “Unsere Ergebnisse”, so Varnik, “kommen zu einer kontraintuitiven Schlussfolgerung, nämlich dass die Entfernung von DRM wirkungsvoller bei der Bekämpfung von Raubkopien sein kann als eine weitere Verstärkung von DRM.”

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/6/150594

Von :  Florian Rötzer in Telepolis > Kultur und Medien-News

Kindergarten-Karaoke ohne Angst vor der Gema

Kindergarten-Karaoke ohne Angst vor der Gema

Nachdem die Verwertungsgesellschaft Gema im Auftrag der VG Musikedition 2009 begann, von deutschen Kindergärten Geld zu fordern, kam der im Umfeld der Piratenpartei gegründete Verein Musikpiraten auf die Idee, den reichen Schatz an gemeinfreiem Liedgut Erziehungseinrichtungen in einer Form zur Verfügung zu stellen, der sie vor solchen Forderungen schützt. Daraus entstand erst eine Sammlung von Weihnachtsliedern und später das Notenbuch Kinder wollen Singen, das in über 50.000 gedruckten Exemplaren an Kindergärten und Kindertagesstätten überall in Deutschland verteilt wurde.

Nun hat der Musikproduzent Martin Schubert im Friedrichshainer TonInTon-Studio Instrumentalversionen dieser Lieder eingespielt. Schubert, der zum Jahresbeginn aus der Gema austrat, widmete dem Projekt fast drei Monate Freizeit und arrangierte die Lieder je nach deren “Charakter” mit unterschiedlichen Instrumenten. Das Stück Jetzt fahr’n wir übern See nahm er sogar in zwei Versionen auf, weil sich dessen Aufführungstradition in verschiedenen Regionen Deutschlands “vom Tempo her stark unterscheidet”. Auf die Idee, das Liederbuchprojekt durch das Einspielen von Instrumentalversionen zu fördern, kam Schubert eigenen Angaben zufolge, weil er die Erfahrung machte, dass “nicht jede Kindergärtnerin ein As auf der Gitarre oder dem Klavier ist” und weil die Personaldecke manchmal so dünn ist, dass während des Musizierens die Betreuung der Kinder leidet.

Die 50 Stücke, die Schubert aufnahm, sollen Ende der Woche der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Ab Donnerstag oder Freitag kann man sie auf der Website des Vereins herunterladen oder als CD vorbestellen. Handelt es sich beim Empfänger um einen Kindergarten oder eine Kinderkrippe, wird die CD kostenlos zugesandt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Vorbestellung bis Ende Oktober erfolgt. Auch Schulen, Kirchen und andere Bildungseinrichtungen können sich bewerben. Die Creative-Commons-Lizenz CC-BY-NC-SA, unter der die Aufnahmen erscheinen, ermöglich Privatleuten und Institutionen nicht nur das nicht kommerzielle Kopieren und Verbreiten, sondern auch die Verwendung für eigene neue Werke. Dadurch können Kindergärten Stücke im Karaoke-Verfahren einsingen und die Aufnahmen Eltern oder Mäzenen als Andenken zukommen lassen.

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/6/150456

Von : Peter Mühlbauer in Telepolis > Kultur und Medien-News

Wenn in Kalifornien ein Fahrrad umfällt…

Wenn in Kalifornien ein Fahrrad umfällt…

Ein Radunfall in Kalifornien. Der Fahrer erwacht am Rand einer bergab verlaufenden Straße aus seiner Bewusstlosigkeit. Er vergewissert sich: Schürfwunden am Bein und am rechten Handrücken (!), eine tiefere Fleischwunde am Knie, der Kopf wurde zum Glück durch den Helm, der auf der einen Seite bis fast zur Schaumstoffeinlage abgeschliffen wurde, geschützt. Den herbeigerufenen Sanitätern kann er ein “A and O times 3” melden. D.h. er kann auf drei der “Alert-und Orientiation”-Fragen antworten: “Wer sind Sie, wo sind Sie und welches Datum bzw. welche Uhrzeit haben wir?”

Er hätte “A and O times 4” lieber gehabt, denn auf die Frage, wie er dorthin gekommen war, wo er sich jetzt befand, hatte er keine Antwort.

Dass es ein Sturz war, der ihn in diese Lage gebracht hatte, daran gab es keinen Zweifel, die Schürfwunden, der beschädigte Helm und das kaputte Rad waren eindeutige Zeichen. Doch wie es dazu kam, war dem Mann ebenso rätselhaft, wie die Schürfwunden am Handrücken. Normalerweise sind es doch die Innenseiten der Hände, die beim Abfangen eines Sturzes den schmerzhaften Bodenkontakt eingehen. Er kann sich nicht an den Sturz erinnern, sein Kopf hat, wie sich erst später herausstellt, nur Bruckstücke aus der Zeit unmittelbar vor dem Sturz gespeichert. Für den Radfahrer Anlass zu sorgenvollen Fragen, ob er nicht vielleicht an Störungen leidet, die zur Ohnmacht führen konnen, so dass er bereits vor dem Sturz bewusstlos war.

Vogelperspektive

Reconstructing a Bike Crash

Beim TV-Schauen der Tour de France von seinem Krankenlager aus kommt er durch die Vogelperspektive der Kameras auf die Idee, seinen Unfall mit einem GPS-Gerät zu rekonstruieren, wie es unter Geo-Cachern benutzt wird. Mit Hilfe der Daten seines Geräts kann er seine Tour am Rechner zurückverfolgen und kann via Google-Maps sehr genau die Stelle orten, wo sich sein Tempo stark vermindert hat, ohne dass sich sein Pulsschlag verlangsamt hätte.

“My Garmin was unharmed, and when I uploaded the data I could see that in the roughly eight seconds before I crashed, my speed went from 30 to 10 miles per hour – and then 0 – while my heart rate stayed a constant 126. By entering the GPS data into Google Maps, I could see just where I crashed.”

Er begibt sich an Ort und Stelle und findet ein “langes dünnes und tiefes Schlagloch”. Manche Erinnerung kommt wieder, so etwa, dass seine Hände vom Lenker losgeschlagen wurden, er sie aber wieder an die Bremsen brachte und sie bis zum Sturz nicht mehr losließ. Die rechte Hand blieb dran und wurde offensichtlich beim Sturz in der Haltung eingeklemmt, in der der Rücken am Boden war.

“booming new industry for experts”

Die Geschichte der Rekonstruktion des Unfalls ist in der New York Times nachzulesen, sie ist nicht nur wegen der privatbiografischen Ermittlungsarbeit des Radfahrers interessant, sondern weil sich darin Hinweise finden, dass die Geo-Caching-Geräte künftig bei versicherungstechnischen Ermittlungen eine größere Rolle spielen können.

Es sei sogar wahrscheinlich, dass daraus ein lukrativber Geschäftszweig für Versicherungsexperten entstehe, wird ein Anwalt zitiert: “It’s important for people who are representing the injured people or the insurance companies to know how to obtain and analyze the data.” Unterlegt wird dies mit einem Fall, wo ein Radfahrer, der mit einem Auto kollidierte – und einer Fahrerin, die gegenüber der Polizei abstritt, dass sie ihn überhaupt berührt habe, durch die Daten seines GPS-Gerätes später recht bekam.

Zwar seien Spuren am Auto zu erkennen gewesen, aber da die Polizei keine sicheren Angaben darüber machen konnte, woher der Radfahrer kam, konnte die Schuldfrage für die Versicherung der Autofahrerin so ausgelegt werden, dass sie nicht zahlen musste. Die Polizei wollte die Bagatelle nicht weiterverfolgen, doch brachte sie den Radfahrer auf die Idee, die Daten des GPS-Gerätes an die Versicherung der Autofahrerin zu schicken. Einen Tag später, so der Zeitungsbericht, war die Versicherung bereit zu zahlen.

Mitte August hatte bereits ein Artikel in Wired darauf aufmerksam gemacht, dass elektronische Geräte im Auto, die über Positionen und Geschwindigkeiten informieren, für Versicherungsagenten wertvolle Datenquellen sein können.

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/6/150435

Von : Thomas Pany in Telepolis > Kultur und Medien-News