Selbst ein Bein gestellt

Selbst ein Bein gestellt

Weil die GEMA vom Streamingportal YouTube für dort von der Musikindustrie, von Bands und von Privatnutzern eingestellte Stücke Summen sehen will, die nach Ansicht von Googles weit jenseits jeder Rentabilität liegen, hat die deutsche Musikverwertungsgesellschaft den amerikanischen Konzern verklagt. Zur Begründung dieser Klage legte sie eine Liste mit zwölf Musiktiteln vor.

Eines dieser Stücke ist Rivers of Babylon. Dem Musiker und Kneipier Johannes Thon, der im Landesvorstand der rheinland-pfälzischen Piratenpartei sitzt, fiel nun auf, dass in der Datenbank der GEMA nicht nur die jamaikanischen Musiker Brent Dowe und Trevor McNaughton als Komponisten und Textdichter des Stücks aufgelistet sind, sondern auch der Boney-M.-Produzent Frank Farian sowie dessen Mitarbeiter Hans-Jörg Mayer (der sich hinter dem Pseudonym “George Reyam” verbirgt). Außerdem wird noch ein ominöser “DP” als Textdichter genannt.[1]

 

Farian hatte das Stück 1978 in einer langsamen Disco-Version veröffentlicht und damit sehr viel mehr Erfolg als Brent Dowe und Trevor McNaughton mit ihrer 1969 aufgenommenen Rocksteady-Version, für deren Betextung sie auf die Psalmen 137,1-9 und 19,14 zurückgriffen. Die beiden Versionen lassen sich zwar auseinanderhalten, aber was genau die deutlich jüngere Boney-M.-Einspielung zur kompositorischen Eigenleistung erheben soll, bleibt offen. Auch deshalb, weil die GEMA für kleine Veränderungen an Stücken die spezielle Kategorie “Bearbeiter” hat, in der aber nur Farians Arrangeur Stefan Klinkhammer eingeordnet ist.

Auf dieses Rätsel angesprochen meint man bei der GEMA gegenüber Telepolis, es handele sich bei dem Boney-M-Titel Rivers Of Babylon um kein “Plagiat”, sondern um eine “Gemeinschaftskomposition des Autorengespanns von Boney-M. mit dem Autorengespann von The Melodians“. So etwas sei “keine Ausnahme, sondern der Regelfall” und könne sich ergeben, wenn Personen im Team komponieren oder wenn ein Musikwerk nachträglich bearbeitet wird. Unbeantwortet lässt man Fragen danach, welchen Anteil aus den Tantiemen Farian und Mayer bekommen und welchen die Jamaikaner.

Es scheint deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein findiger Urheberrechtsanwalt eine Menge Geld verdienen könnte, wenn er die Adressen von Trevor McNaughton und ein paar Erben in Jamaika ausfindig macht und diese Personen kontaktiert. Die Übervorteilung von Musikern aus einfachen Verhältnissen wäre bei der GEMA auf jeden Fall kein Novum: Vor einigen Jahren kam heraus, dass der ehemalige GEMA-Aufsichtsrat Egon Frauenberger sich unberechtigt als Bearbeiter des Kufsteinliedes eintrug, wodurch ihm erhebliche Tantiemen aus den regelmäßig auf Volks- und Vereinsfesten gespielten Schlagers zuflossen. Als die Erben misstrauisch wurden, reagierte die Verwertungsgesellschaft, in der der mittlerweile verstorbene Musikverleger unter anderem im Beschwerdeausschuss saß, nicht auf deren Briefe und versuchte die Zuständigkeit von sich zu weisen.

Source : http://www.heise.de/tp/artikel/36/36901/1.html

Von : Peter Mühlbauer in Telepolis > Politik > Copyright

Eine weitere liberale Partei?

Eine weitere liberale Partei?

Für eine Partei, die gerade mal in zwei Landtagen sitzt, war das Medieninteresse beim Parteitag der Piraten am Wochenende in Neumünster enorm. Der vor allem in Umfragen prognostizierte Höhenflug, der die Partei zur drittstärksten aufsteigen ließ, war sicher ein Grund für das große Aufgebot an Journalisten.

Doch das Hauptproblem der jungen Partei ist zur Zeit die eigene Perspektive. Die scheidende Geschäftsführerin Marina Weisband, die schon heute den Status als Petra Kelly der Piraten besitzt, hat das Problem in eine Frage gefasst: “Wohin geht die Piratenpartei? Ich weiß es nicht, und niemand hier weiß es.”

Die nächsten Wahlen werden zeigen, ob die Partei nur eine medial aufgeheizte Frühjahrsblase war oder ob sich im Zuge der digitalen Revolution – vermutlich – eine weitere liberale Partei neben der FDP und den Grünen in Deutschland etabliert. Die Piraten sind die Partei für jene Liberalen, denen die FDP zu altmodisch am klassischen Handwerker orientiert und die Grünen zu ökologisch und politisch korrekt ist. Die Schwäche der FDP war bisher einer der Hauptgründe für den Umfragehöhenflug der Piraten. Deswegen werden zur Zeit zwischen den drei liberalen Formationen auch die heftigsten Kämpfe ausgefochten. Grüne und FDP haben natürlich wenig Interesse, eine weitere Partei in ihrem Revier grasen zu lassen. Umgekehrt sind die neuen Liberalen interessiert, ihre Version als die zeitgemäße Variante des Liberalismus erscheinen zu lassen.

Daher ist es auch mehr als politische Koketterie, dass bei den Landtagswahlen in Schleswig Holstein Kandidaten ihre ehemalige FDP-Mitgliedschaft werbewirksam ins Feld führen. Eher versteckt dagegen wird Angelika Beer, die Anfang der 90er Jahre als Linksgrüne ihre Karriere begonnen hat und unter Rot-Grün die Bundeswehr lieben lernte. Das tat sie mit einer solchen Vehemenz, dass es den Grünen zu viel wurde und ihr trotz mehrerer Bemühungen eine erneute Kandidatur für die Europawahl nicht gelang. Danach hatte sie nach eigenem Bekunden genug von Intrigen und Hinterzimmerpolitik und hofft auf die Fortsetzung ihrer politische Karriere als Piraten-Landtagsabgeordnete von Schleswig Holstein.

Mit dem neuen Parteivorsitzenden Bernd Schlömer dürfte Beer in dieser Frage keine Probleme haben. Der verbeamtete Regierungsdirektor im Bundesverteidigungsministerium befürwortet ebenfalls die Bundeswehreinsätze in Kosovo und Afghanistan, hätte allerdings nach eigenen Bekunden auch keine Probleme, das Gegenteil zu vertreten, wenn es die Piratenbasis so entscheidet. Als Kompromiss könnte dann wie bei den anderen Liberalen herauskommen, Bundeswehreinsätze dann abzulehnen, wenn sie nicht im wirtschaftlichen und geopolitischen Interesse Deutschlands sind.

Schlömer, der eine weitere Professionalisierung der Partei angekündigt und eine Regierungsbeteiligung ausdrücklich nicht ausgeschlossen hat, dürfte die Entwicklung der Piraten zu einer neuen FDP beschleunigen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat mittlerweile auch registriert, dass sich hinter dem Freibeutersymbol Liberale verbergen, die möglicherweise für die Interessen der Lobbyverbände der Unternehmer ein offenes Ohr haben. Der BDI-Vorsitzende kann sich Gespräche mit der neuen Partei über deren Programm vorstellen und die ersten Lobbyverbände waren schon am Parteitag anwesend. Zunächst müssen die Piraten aber liefern und das Umfragehoch in konkrete Wählerstimmen bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verwandeln.

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/8/151901

Von : Peter Nowak in Telepolis > Politik-News

Eine weitere liberale Partei?

Phase 3

Ein Gespenst geht um in Europa – doch es ist nicht das Gespenst von 1848, das eine Revolution wollte, sondern eine Art Pac-Man-Geist, der dem Urheberrecht und der Demokratie in einer Evolution ein Update verpassen möchte. Statt Manifest und Diktatur bietet er Liquid Democracy und Basisdemokratie. Doch inzwischen hat der unersättliche Pac-Man der Verwertungsindustrie die Kraftpille gefressen und jagt umgekehrt die nun von ihm einfarbig gemachten Schreckgespenster.

“Zuerst ignorieren sie dich, …”

Die bevorstehende Wahl in NRW, der Signalwirkung für die Bundestagswahl beigemessen wird, stellt für die Piratenpartei in mehrfacher Hinsicht die bislang größte Herausforderung dar. 2009 konnte man sie bei der Europawahl und Bundestagswahl als Kleinpartei abtun und in der Wahlkampfberichterstattung ignorieren. Bei der NRW-Wahl von 2010 ließ sich das Anliegen der daher kaum wahrgenommenen “Internet-Partei” mit dem Label “Kinderpornograhie” diskreditieren – eine Strategie die nach der parteiübergreifenden Abkehr von den aberwitzigen Internetsperren heute nicht mehr ziehen würde.

“… dann lachen sie über dich, …”

Dampfplauderer Ulrich Wickert, der von Urheberrecht in etwa so viel Ahnung hat wie Ansgar Heveling vom Internet, hielt 2009 die Vision, die Piratenpartei bekäme 5,1 %, für “kabarettistisch” – nahm den politischen Mitbewerber jedoch wenigstens wahr. Jede Stimme für die Piraten sei im Gulli, tönte ein Politiker, dessen Partei der Berliner Gulli prompt aus dem Abgeordnetenhaus verwies. Nunmehr hat die Piratenpartei nicht nur den Einzug in zwei Landesparlamente geschafft, sondern bringt es als erste nicht im Bundestag vertretene Partei im “Deutschlandtrend” auf zweistellige Zustimmungswerte. Der Einzug ins Düsseldorfer Parlament ist nunmehr Pflicht.

Inzwischen nehmen die Medien – genauer: die Printmedien – die Partei nicht nur ernst, sondern auch auseinander und geben sie – durch erstaunlich schwachen Journalismus – nicht selten der Lächerlichkeit preis. Etliche Piraten sind bereits in die Interview-Falle getappt. Beispiele gefällig?

Dem NRW-Vorsitzenden legte DER WESTEN die Behauptung in den Mund, die Partei fordere eine Diätenerhöhung. Dem NRW-Spitzenkandidat schob DER SPIEGEL gerade unter, er habe entgegen dem Bundesvorsitzenden bezahlte Vorstände gefordert. BILD bauscht eine unterschiedliche Ansicht zwischen einem Berliner Piraten und dem Bundesvorsitzenden zur “Meuterei” auf und deutet jede unterschiedliche Meinung als Chaos. DER SPIEGEL lässt Urpirat Jens Seipenbusch als intriganten Karrieristen erscheinen, obwohl der frühestens 2014 wieder für etwas kandidieren will. CICERO sieht in Christopher Lauer einen machtaffinen Joschka Fischer (kein Link auf das Blatt aus hygienischen Gründen). Und hätte die politische Geschäftsführerin Marina Weisband nicht angekündigt, nicht erneut zu kandidieren, hätte man für sie zweifellos ein ähnliches Etikett gefunden.

Die Piratenpolitiker sind medienunerfahrene Amateure. Sie geben lange Interviews, ohne zu ahnen, dass sich Journalisten vorzugsweise nur die negativen Aspekte herauspicken, denn vor allem die haben Nachrichtenwert. Sie sprechen mit Journalisten “off the record”, ohne sich Vertraulichkeit zusichern zu lassen. Sie geben Interviews, ohne sich diese zur Autorisierung vorlegen zu lassen (Missverständnisse sind in Interviews der Normalfall). Journalisten picken aus der digitalen Kommunikation der nunmehr über 24.000 Parteimitglieder Einzelmeinungen heraus, die skandalisiert werden. Während kein Mensch auf die Idee käme, Pöbelei von 8jährigen auf irgendeinem Bolzplatz dem DFB zuzuschreiben, verfügen die Piraten anscheinend über 24.000 Repräsentanten. Letztes Wochenende entdeckte man sogar ein Sexismus-Problem – das es so oder ähnlich leider in allen Parteien und Gruppierungen gibt, insbesondere da, wo anonyme Kommunikation erlaubt ist. Wie viele weibliche Chefredakteure haben denn eigentlich die namhaften Zeitungen geboten? Und sind die Witze, die männliche Journalisten der Qualitätsmedien nach dem zweiten Bier reißen, durchgängig political correct?

Ironischerweise könnten solch negative Schlagzeilen der Piratenpartei bei Wählern und bislang überzeugten Nichtwählern, die von den glatten PR-Inszenierungen der konventionellen Wahlstimmen-Anbiederer abgestoßen wurden, sogar Sympathien einbringen. So peinlich diese in der Öffentlichkeit ausgetragenen Parteiinterna auch sein mögen, sie kommunizieren Transparenz und Ehrlichkeit – ein erklärtes Piratenanliegen.

“… dann bekämpfen sie dich …”

In diesen Wochen nun ist definitiv “Phase 3” des berühmten Gandhi-Zitats angelaufen. Waffentragende Journalisten nehmen die Maske ab, Verkäufer von bedrucktem Papier erklären offen die Feindschaft, das Hausblatt industrieller Krämerseelen schickt eine Hundertschaft vorgebliche Kronzeugen geprellter Urheber ins Feld, nachdem dort 51 kriminell schlecht informierte Tatort-Autoren beim digitalen Schusswechsel ausgeschaltet wurden, ganz zu schweigen vom unglücklichen Sven Regener, der gegen den Wind pinkelte.

Die Möchtegern-Enthüllungsreporter des Cicero, die sogar mit googeln überfordert sind, weigern sich hartnäckig, eine verlangte und von Gesetzes wegen geschuldete Gegendarstellung für ihr Totalversagen anzubieten – pikant, denn ursprünglich hatte Cicero einer Piratin am Zeug geflickt, ausgerechnet ihre digitalen Spuren zu verwischen, versteckt selbst aber seine halbherzige wie unvollständige redaktionelle Richtigstellung auf Seite 3, die eine Woche nach dem versuchten Rufmord ohnehin keiner mehr anklicken wird.

Doch in Wirklichkeit geht es der Printesse gar nicht um die Auseinandersetzung in der Sache. Auch diese Leute sind nicht so naiv, wie sie sich geben, sondern wissen selbstverständlich ganz genau, dass es den Begriff “geistiges Eigentum” im deutschen Recht gar nicht gibt. Sie wissen auch, dass die Piraten das Urheberrecht keineswegs abschaffen wollen.

Die 51 Tatort-Schreiberlinge werden über die ARD und damit die GEZ besoldet, Downloads von Tatort-Drehbüchern sind bislang nicht beobachtet worden. Auch die in Los Angeles lebende Franka Potente, die ihr Regie-Debut 2006 gar nicht nicht an der Kinokasse, sondern aus öffentlichen Mitteln realisierte, kann nicht wirklich so gnadenlos dumm sein, dass sie kontrollierte Plattformen wie “Youtube” für eine Bedrohung der Urheberrechte hält. Auf der Klaviatur der Angst spielt auch der bayrische Innenminister, der jüngst die Piraten (denen ein ehemaliger CDU-Mann vorsteht) als “extrem linksalternativ ausruft, was dem braven Bürger einen gewaltigen Schrecken einjagen muss, an dem McCarthy seine Freude hätte.

Tatsächlich zielen solche Kampagnen also nicht etwa auf ein intellektuelles Publikum ab, sondern sollen bei uninformierten Massen eine Stimmung der Angst erzeugen. Die Piraten sollen als Feinde der beliebten Künstler wahrgenommen werden, die es zu behüten gilt. Dass das Urheberrecht der Gegenwart in erster Linie die Interessen unkreativer Verwerter schützt, welche die Urheber regelmäßig über den Tisch ziehen, fällt dreist unter den Tisch. Soweit der Wahlkampf also in den Printmedien stattfindet, muss zur Kenntnis genommen werden, dass dieser Kampfplatz partiell sabotiert ist. Politik ist nun einmal ein schmutziges Geschäft.

Doch völlig ausgeliefert sind auch die Piraten solchen Gegnern nicht. Als den Berliner Piraten im Wahlkampf um den Senat bewusst wurde, dass gewisse Medien trotz intensiver Kommunikation vornehmlich Blödsinn schrieben, schnitten die Piraten zurück, indem sie diesen Blättern keine Interviews mehr gaben. Ohne O-Töne oder Exklusiv- und Hintergrund-Informationen verlieren politische Journalisten einen gewichtigen Teil ihrer Funktion und Autorität. Agenturmaterial durchreichen, Pressetexte altklug kommentieren und googeln kann jeder (außer vielleicht die Redaktion vom Cicero …).

“… und dann gewinnst du.”

“Wir haben das Geld einer 0,2-Prozent-Partei, Programm und Struktur einer 2-Prozent-Partei – aber an uns werden die Erwartungen einer 12-Prozent-Partei gestellt”, resümierte jüngst die Bundesgeschäftsführerin der Newcomer.

Gegen die 4.000 NRW-Piraten steht eine Armada von wahlkampferprobten 8.600 NRW-Linken, 12.500 NRW-Grünen, 16.000 NRW-FDPlern, 134.500 SPDlern und 154.000 CDUlern – Flottenverhältnis 1:100. Doch auch die historische Armada war letztlich ein Schlag ins Wasser. Sollte es den NRW-Piraten gelingen, trotz unterirdischer PR-Kampagnen in den Düsseldorfer Landtag einzuziehen, so wäre dies auch ein Indiz dafür, dass sich die angestammte publizistische Macht der Zeitungsverlage, die eine enge Symbiose mit den etablierten Parteien und Wirtschaftsleuten pflegen, dank Internet entscheidend relativiert hätte. Allein das mögliche Signal, dass sich die Informationsgesellschaft nicht mehr länger mit medialer Propaganda abspeisen ließe, wäre der Mühe wert.

Hinweis: Der Autor ist unabhängig und überparteilich.

Aufgrund von Leserzuschriften weisen wir darauf hin, dass es sich beim Hinweis “unabhängig und überparteilich” um eine selbstironische Anspielung auf den Slogan der BILD-Zeitung handelt, die sich spätestens beim Anklicken hätte erschließen sollen.

Source : http://www.heise.de/tp/artikel/36/36728/1.html

Von Markus Kompa in Telepolis > Politik > Meinung

Energiewende erfordert neue Abwägungen

Energiewende erfordert neue Abwägungen

Der bayerische Umweltminister Marcel Huber will zum Ausstieg aus der Atomenergie die Wasserkraft als “CO2-neutrale, grundlastfähige und dauerhaft verfügbare erneuerbare Energiequelle” deutlich ausbauen. Dazu will er bis zum Herbst einen Zehn-Punkte-Fahrplan und eine “Gebietskulisse” für einen Ausbau dieser Energieform vorlegen, die seinen Worten nach “einen wichtigen stabilisierenden Beitrag leisten kann, die Diskontinuität der anderen Ökoenergien auszugleichen”. Denn Wind weht nur manchmal, die Sonne scheint selbst im Idealfall nur tagsüber und Gas aus Russland kommt auch nur dann durch die Leitung, wenn es dort nicht gerade selbst gebraucht wird.

Damit in langen kalten Wintern der Strom auch dann nicht ausfällt, wenn die jetzt noch laufenden Kernkraftwerke abgeschaltet sind, will Huber darüber hinaus in den Ausbau der Netze und in die Speicherung volatiler Energien investieren. Neben der Erforschung chemischer Langzeitspeicher betrifft dies auch die bereits jetzt wirtschaftlich einsetzbare Pumpspeichertechnologie, für die das Umweltministerium 2012 eine Studie mit möglichen Standorten veröffentlichen will.

Wasserkraftwerk am Olchinger Mühlbach. Foto: Richard Huber. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Kritik am Ausbau der Wasserkraft, der Netze und der Speicher kommt bislang fast ausschließlich vom organisierten Naturschutz. Der will sogar verhindern, dass die Umgestaltung der Donau für den Schiffsverkehr zwischen Straubing und Vilshofen in einer Form durchgeführt wird, die die Integration von Wasserkraftwerken erlaubt. Mehrheitsfähig dürfte solch eine Position nach dem Atomausstieg allerdings nur sehr bedingt sein: Die BR-Sendung Quer hatte in einem Beitrag zu diesem Thema offenbar so große Mühe, eine Donaustaustufengegnerin aus dem einfachen Volk zu finden, dass sie schließlich auf eine Kanufahrerin zurückgreifen musste, die ihren Luxussport auch weiterhin kostenlos vor der Haustür ausüben will.

Ähnlich verhält es sich beim Bau von Stromtrassen und von Pumpspeichern. Die Naturschutzbürokratie stellt sich hier auf den Standpunkt, dass man Strom lieber so auspreisen sollte, dass er dann verbraucht wird, wenn gerade viel davon zur Verfügung steht. Doch “intelligente” Stromzähler eröffnen Energieanbietern zwar die Möglichkeit zu Kostenfallen (und damit zu mehr Profit) – ihr Einsparpotenzial dürfte aber sehr gering sein: Denn weder das Kochen noch das Beleuchten oder der Betrieb von Freizeitelektronik lassen sich zeitlich beliebig verschieben. Und wenn Waschmaschine und Geschirrspüler nachts plötzlich anspringen und Nachbarn in Mietshäusern regelmäßig um drei Uhr wecken, kommt sehr schnell Lynchstimmung auf.

Außerdem empfiehlt man beim Bund Naturschutz die umfassende Wärmedämmung von Häusern und Photovoltaikanlagen auf dem Dach. Gegen das läuft jedoch eine andere Gruppe Sturm: die Denkmalschützer. Beide Arten von Bedenkenträgern wurden in den vergangenen Jahrzehnten mit beträchtlichen Mitteln öffentlich gefördert und vor allem in den 1970er und 1980er Jahren groß – einer Zeit, in der man massiv auf Atomkraft setzte und meinte, man könne sich ob der Energiefülle, die Kernkraftwerke auf kleinstem Raum liefern, so manchen konservatorischen Luxus in anderen Gegenden erlauben.

Seit einem Jahr hat sich die deutsche Politik jedoch von der Atomenergie verabschiedet. Deshalb müssen nicht nur die Gesetzgeber, sondern auch Behörden und Gerichte neu zwischen Rechtsgütern abwägen, wenn sie über Bauvorhaben entscheiden. Dabei müssen sie auch berücksichtigen, dass ein Blackout im 21. Jahrhundert wesentlich schlimmere Folgen haben würde als vor 30 oder 40 Jahren. Denn heute läuft praktisch keine Heizung mehr ohne Strom. Und Kohleöfen, mit denen man das Schlimmste verhindern könnte, gibt es schon wegen der geschlossenen Kamine kaum mehr irgendwo.

Source : http://www.heise.de/tp/artikel/36/36543/1.html

Von Peter Mühlbauer in Telepolis > Politik > Meinung

Musikindustrie will Musiker "enteignen"

Musikindustrie will Musiker "enteignen"

Die Medienindustrie gibt sich bei ihrer Lobbyarbeit zu Ausweitung von Monopolansprüchen stets als Schützerin benachteiligter Urheber. Die aktuellen Pläne der Musikindustrie in den USA zeigen jedoch, dass zwischen den beiden Gruppen ein erheblicher Interessenkonflikt besteht.

Dabei geht es um einen Bestandteil des U.S. Copyright Act von 1976, der vorsieht, dass übertragene Nutzungsrechte von Urhebern nach 35 Jahren zurückgefordert werden können, auch wenn in Verträgen längere Fristen stehen. Weil diese Klausel 1978 in Kraft trat, könnten 2013 massenhaft Musiker auf die Idee kommen, unvorteilhafte Verträge neu auszuhandeln oder ihre Aufnahmen selbst profitabler zu vermarkten.

Die Musikindustrie versucht dies dadurch zu verhindern, dass sie argumentiert, die Aufnahmen seien reine Auftragsarbeiten (“work for hire”). Das wirft zwar die Frage auf, warum solch schnöde Auftragsarbeiten jahrzehntelangen Monopolschutz genießen sollen, bringt aber den Vorteil, dass die Rechte für die Aufnahmen dann bei den Konzernen verbleiben würden.

Allerdings ist die gesetzliche Definition für “work für hire” relativ eng. Dazu muss ein Urheber nämlich entweder ein fester Angestellter der rechtebeanspruchenden Firma gewesen sein (was bei Musikern eher selten vorkommt), oder das Werk wurde mit Wissen beider Vertragsparteien explizit als “work für hire” bestellt und ist einer der folgenden im Gesetz aufgeführten Gattungen zuzuordnen: Film, andere audiovisuelle Arbeit, Atlas, Test, Gebrauchsanweisung, Übersetzung, Ergänzung (Vorwort, Bibliografie etc.) oder Zusammenstellung.

Der Musikindustrieverband RIAA stellt sich auf den Standpunkt, dass Musikalben unter den Begriff der “Zusammenstellung” fallen würden. Dass man bei den Mitgliedern des Verbandes möglicherweise selbst nicht recht an diese Interpretation glaubt, zeigte 1999 der Fall Mitch Glazier: Der schmuggelte als Kongressangestellter in einem Gesetz zu Satellitenschüsseln (!) über Nacht und ohne Kenntnis der Autoren eine Passage ein, die Musikwerke zu dem oben genannten Katalog der “works für hire” hinzufügte. Als der Fall öffentliche Aufmerksamkeit erregte, musste der Kongress die Klausel zurücknehmen. Glazier ging straffrei aus und bekam einen Job bei der RIAA, bei dem er eine halbe Million Dollar im Jahr verdient.

Michael Robertson. Foto: Media Resources michaelrobertson.com.

Damit Konzerne nicht mit ausgewählten und für sie vorteilhaften Fällen (wie den der Casting-Gruppe Village People) die fragwürdige Lesart des Gesetzes in Präzedenzfälle zementieren, hat der MP3.com-Gründer Michael Robertson eine Liste mit bekannten Musikern zusammengestellt, die von der 35-Jahres-Regelung betroffen sind. Auf ihr stehen unter anderem die Beach Boys, David Bowie, Pink Floyd, Iggy Pop und die Rolling Stones. Nun hofft er darauf, dass einer dieser Musiker mit genug Geld für gute Anwälte Nutzungsrechte zurückfordert und einen Prozess darum führt.

Source : http://www.heise.de/tp/artikel/36/36517/1.html

Von Peter Mühlbauer in Telepolis > Politik > Copyright