Von irgendwelchen Kerlen und Peinlichkeiten

Von irgendwelchen Kerlen und Peinlichkeiten

Weltfrauentag… oh bitte nicht

An jedem verdammten 8. März ist mir danach, mich mit Migräne ins Bett zu legen und diesen Tag komplett zu verschlafen, insbesondere die Kommunikation einzustellen, sofern sie in irgendeiner Form mit dem “Weltfrauentag” zu tun hat. Schon einige Tage vor dem Weltfrauentag passiert nämlich etwas Seltsames. Dieses Seltsame funktioniert ähnlich wie die Mutation eines Kaktus zum Valentinstag. War der Kaktus vorher beim Blumengeschäft noch das angestaubte Ladenhüterli, karg und eher ungeliebt anzusehen, von all den Trendplanzen und duftenden Blümchen verdeckt, so wird er zum Valentinstag abgestaubt, im Preise um ca. 300% angehoben und mittels eines rot-weißen Schildchens mit der Aufschrift “Für meine geliebte Kratzbürste” zum “originellen Geschenk am Valentinstag für denjenigen, dem Rosen zu banal sind”.

So ähnlich funktioniert auch der “Weltfrauentag” mittlerweile – egal, welcher auch noch so löbliche Grund einst seine Einführung ermöglichte, heutzutage ist der WFT ein Mischmasch aus Werbung (kreieren Sie als starke Frage Ihr eigenes Parfum/ihren eigenen Schmuck… – wobei diese “Eigenkreationen” letztendlich nur das Ergebnis von im Baukastensystem nach Schema F zusammengemixten Standardideen sind), Pseudobetroffenheitsblabla (jedes Jahr müssen wir wieder an die armen Frauen in xy denken) und dem Alibiinterviewtrend (heute zum Weltfrauentag sprechen wir mit…). Einige Tage vor dem WFT beginnen diverse Leute, Redaktionen, Interviewer… plötzlich, sich an die im Hinterzimmer herumgammelnden weiblichen Personen zu erinnern, die einst Artikelvorschläge, Anmerkungen oder was auch immer einreichten, die darum baten, sie zurückzurufen und über ihren Fall zu berichten oder die einfach nur selbst einen Kontakt aufnehmen wollten. Plötzlich wird also das vor sich hin staubende Frauchen, das im “Irgendwann mal”-Ordner schmort, zum “hot topic”, denn es ist ja Weltfrauentag.

“Zum bevorstehenden Weltfrauentag möchten wir auf Ihren Artikelvorschlag eingehen und …”, “der Weltfrauentag steht vor der Tür und Sie als Frau könnten uns vielleicht…” – am Weltfrauentag haben plötzlich ganz viele Leute Zeit und Muße und sind soooo interessiert an den eigenen Ansichten, dass ich kaum mehr weiß, wem ich als Erstes ein “Lasst mich in Ruhe” zurückmailen soll. Ja, es ist erfreulich, dass mein Thema auf Interesse stößt, aber wenn dieses Interesse nur der Tatsache geschuldet ist, dass für den WFT noch ein “Thema von einer Frau” gesucht wird, dann ist das weniger als ein Lob als vielmehr ein Schlag in den Unterleib. Es heißt nichts anderes als: “Wäre heute nicht dieser WFT, würde ich eher WTF zu deinem Text sagen”. Es bedeutet: “Wärest du nicht heute das willkommene Alibiweibchen zum WFT, dann würde dein Text noch weiterhin hier vor sich hin gammeln.” 365 oder 364 Tage lang bin ich somit uninteressant, bis dann ein mehr oder minder verordneter Zwangsbeglückungstag dazu führt, dass sich jemand an meinen Text erinnert und ihn dann vielleicht doch liest. Würde er lesen, wäre nicht WFT? Wohl kaum.

Sie als Frau…

Die Formulierung “Sie als Frau” ist in vielen Fällen für mich schon ein Ausschlusskriterium. Es gibt in vielen Fällen Gründe dafür, warum jemand auf seine Meinung angesprochen wird, doch das Frausein ist nur in wenigen Fällen einer dieser Gründe. Wieso muss jemand “mich als Frau” zum Thema Datenschutz befragen? Wieso benötigt jemand meinen Kommentar von “mir als Frau”, wenn es um Fußball geht? Selbst wenn es darum geht, eine männliche und eine weibliche Ansicht darzustellen, so sind diese Gegenüberstellungen letztendlich nur eine Zementierung der bisherigen Klischees – meist läuft es auf ein “Er sagt, wie toll Fußball ist”, und “Sie sagt, dass Fußball für sie uninteressant ist”, hinaus oder auf genau das Gegenteil. Aber wieso ist dies von Belang?

Während das bei Meinungsartikeln noch entfernt nachvollziehbar ist, so ist es bei Fakten schlichtweg ermüdend. Wieso ist es von Wichtigkeit, ob eine Frau Zahlen aus der Kriminalitätsstatistik zitiert? Sofern es überprüfbare Zahlen sind, sollten das Geschlecht, Alter, Herkunft, Privatleben… völlig egal sein. Aber oft genug wird um meine Meinung “als Frau” gefragt. Geht es Männer so, dass sie wegen ihrer Meinung “als Mann” gefragt werden? Ich bezweifele es.

All diese Quoten-/Tag-/Geschlechtshervorhebungen haben für mich letztendlich eine Aussage: Deine Meinung wäre uninteressiert, wärst du keine Frau und würde es nicht für uns wichtig sein, “auch Frauen” zu Wort kommen zu lassen. Das ist, egal ob aus Quotendenken oder nicht, genau der Aspekt, der mich nervt; das ist das Denken, das ich nicht will. Nichts ist für mich schlimmer, als gefragt zu werden, ob ich bei einer Veranstaltung etwas zum Thema “Vorratsdatenspeicherung” beitragen möchte, nur um dann zu hören, dass nicht etwa eine Einschätzung meines Wissens, sondern vielmehr die Tatsache, dass “noch eine Frau fehlt”, zur Anfrage führte. Das ist oberflächlich und sexistisch.

Besser du als irgendein Kerl

Wie hier bei mela sehr schön erläutert wird, ist die neue Kampagne der Grünen, die hoffen, auf diese Weise mehr weibliche Mitglieder gewinnen zu können, ein typisches Beispiel dafür, wie Frauen und Männer gleichzeitig beleidigt werden bei dem peinlichen Versuch, sich an Frauen anzubiedern. “Besser du als irgendein Kerl” prangt in großen Lettern auf dem Plakat. Egal wie selbstironisch Claudia Roth mit ihrem Image als Nervensäge spielt oder Cem Özdemir sein Alter thematisiert – wie sehen es wohl Frauen, wenn sie letztendlich nicht auf Qualifikation, Wissen, Erfahrung, Meinung… angesprochen werden, sondern letztendlich nur als gesichtslose, persönlichskeitslose Quotenmasse dienen?

“Besser du als irgendein Kerl” ist die moderne Variante eines “Komm her, wir brauchen ein Weib”, das man aus Mittelalterfilmen kennt, in denen sich die saufenden Männer das unwillige Frauenzimmer auf den Schoß holen, um sich ihr Vergnügen zu holen. Nun gut, heutzutage ist es nicht das Vergnügen, sondern die hoffentlich bald erreichte Quote, wegen der jedwedes Weib in den Schoß der Partei gezogen werden soll. Für die Männer ist dies eine offene Klatsche, denn egal welche Qualifikation sie mitbringen, gegen den Vaginabonus haben sie dann keine Schnitte. Für die Frauen ist es gleichermaßen eine Klatsche, denn gleichgültig welche Qualifikation sie mitbringen, sie ist uninteressant, sofern nur der Vaginabonus erfüllt wird. Hier wird nicht einmal, egal wie witzig die Plakate sein sollen, darauf abgezielt, dass Frauen eben auch viel beitragen können, hier wird einfach nur gesagt “Frau = beliebter bei uns”. Warum? Gibt es keine Aspekte, die bezüglich der Tätigkeit von Frauen bei den Grünen hervorgehoben werden können? Können nicht auch Männer und Frauen gleichzeitig auf den Plakaten für mehr Mitglieder werben und zeigen, dass es eben egal ist, welchem Geschlecht jemand angehört?

Nein, stattdessen wird weiter ein Graben verbreitert, denn Frauen und Männer dürften von solchen Anbiederungsversuchen gleichermaßen genervt sein. Während die Frau sich fragt, wieso sie denn, außer die Quote der Grünen zu erfüllen, bei den Grünen aktiv werden soll, fragt sich der Mann, wieso er da eigentlich noch einen Mitgliedsantrag unterzeichnen soll, wenn er doch automatisch im Vergleich mit irgendeiner Frau den Kürzeren zieht. Es stellt sich auch die Frage, wie eine ähnlich gelagerte Kampagne verlaufen wäre, würde sie mit dem Spruch “Besser du als irgendeine Frau” untermalt werden.

Empfindlichkeiten…

Dass die Gräben sich weiter verbreitern, zeigt sich auch an den Empfindlichkeiten, die vorherrschen. Wenn am WFT jemand auf die Frage, warum Frauen in der Partei eher eine kleine Rolle spielen, sagt: Vielleicht sind sie zuhause zu sehr eingespannt, geht Entrüstung durch den Raum. Warum eigentlich? Weil es ggf. zu nahe an der Wahrheit sein könnte?

Für Alleinerziehende, egal ob weiblich oder männlich, stellen sich viele Fragen, wenn es um Engagement geht. Auch gibt es auf Grund von klassischen Rollenverteilungen in manchen Familien das Problem der Umsetzung des Engagement. Doch: welche Barrieren haben Frauen vor sich, die es ihnen unmöglich machen, sich in den Parteien zu engagieren? Was genau fehlt? Was müsste besser gemacht werden oder was wird gewünscht? Hierzu fehlen schlichtweg klare Ideen und Vorschläge – akademisch wird darüber gesprochen, dass Frauen in den Parteien zu wenig vertreten sind, ohne all diese Aspekte einmal zu beleuchten. Aber – und das wird auch eher selten gesagt – in Zeiten, in denen z.B. bei der Piratenpartei, auch eine Mitarbeit virtuell möglich ist, dürfte Frauen, ebenso wenig wie Männern, ein großes Hindernis in den Weg gelegt werden. Die Möglichkeiten zur Partizipation sind vorhanden – und wer meint, dass er als Frau nicht ernstgenommen wird oder als Mann zu Frauenthemen sowieso nicht befragt wird, kann auch pseudonym aktiv werden. Worin hier genau die Hindernisse bestehen bleibt eher offen.

Wie rückständig

Die Art und Weise, wie um Frauen bei Parteien geworben wird, ist eine Art und Weise, die die Frauen zu reinen Quotenweibchen werden lässt, was Männer logischerweise aufbringt. Bevorzugung ist kein Weg, der Gleichberechtigung bedeutet, sondern nur weitere Kämpfe mit sich bringt. Dabei haftet Initiativen wie die der Grünen auch ein gewisser Mief an, der letztendlich vom uralten Geschlechterkampf, von Spalten statt Versöhnen zeugt. Doch noch etwas ist bei all den Diskussionen um Frauen in Parteien, in Vorstandsetagen usw. eher wenig zur Sprache gekommen: Die Frage, ob Frauen teilweise nicht einfach zufrieden sind mit dem, was sie haben. Vielleicht verzichten manche auch lieber auf den besser bezahlten Posten im Vorstand, weil sie dafür mehr Zeit für sich haben? Vielleicht ist ihnen Hobby und Freizeit wichtiger als die 14-18-Stunden-Tätigkeit, die viele Positionen in Chefetagen mit sich bringen, egal ob nun von Männern oder Frauen ausgeübt? Hier fehlen zahlreiche Daten darüber, wie viele Frauen benachteiligt werden, wie viele gar nicht aufsteigen möchten und warum usw. Die Diskussion ist, genauso wie die Diskussion um Jugendschutz beispielsweise, eher etwas, an dem sich akademisch abgearbeitet wird.

Diskussionen darüber, dass Frauen mehr in Vorstandsetagen vorhanden sein sollen, werden gerne geführt, Diskussionen darüber, dass manche Frauen vielleicht einfach lieber Hausfrau sind, werden dagegen per se als rückständig und reaktionär, als unwissend und sexistisch gebrandmarkt. Die meisten Frauen aber werden eher gar nicht gefragt, was sie eigentlich möchten. Die Diskussionen konzentrieren sich auf die eine oder andere Seite, ohne sich um Zahlen, Daten, Fakten zu kümmern und Optionen für alle zu schaffen.

Der Trend, Familiendasein, Ehe usw. als rückständig anzusehen, nimmt allerdings weiter zu. Die neue Spießigkeit besteht nicht mehr darin, naserümpfend auf andere herabzusehen, die unverheiratet sind, alleinstehend… die neue Spießigkeit rümpft die Nase bei den Frauen, die sich verheiraten, eine Schürze anziehen, kochen und auf diese Art und Weise glücklich sind. Die alten Rollenmuster sollen durch neue abgelöst werden, egal ob erwünscht oder nicht. Doch dadurch werden nur neue Zwänge geschaffen.

Ja, es sollte gleiche Chancen für alle geben und hieran muss gearbeitet werden. Dringend sogar. Aber bitte keine Zwangsbeglückung mit der nächsten Einladung für “mich als Frau”.

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/5/151599

Von Twister (Bettina Hammer) in Telepolis > Außer Kontrolle

Gema will Geld für Creative-Commons-Veranstaltung

Gema will Geld für Creative-Commons-Veranstaltung

Im April veranstaltete der damalige Diplomand Jan Stern einen in der Essential Existence Gallery in Leipzig und der Bauhaus-Universität in Weimarer gleichzeitig abgehaltenen Konzept-Tanzabend, auf dem acht Stunden lang ausschließlich Musik mit Creative Commons Lizenz gespielt werden sollte. Dies hatte er nicht nur den Discjockeys und der Öffentlichkeit, sondern auch der Gema mitgeteilt, der er auf Anforderung eine “Musikliste mit Künstler-, Titel- und Labelangabe” und später auch die Downloadlinks mit den Lizenzangaben zukommen ließ.

Die Gema schickt Stern darauf hin wider Erwarten eine Rechnung über 200 Euro, die sie damit begründete, dass sich unter den Urhebern auch solche befinden könnten, die bei ihr gemeldet sind. Sicherausschließen könne man das nur, wenn Stern für alle gespielten Stücke die bürgerlichen Namen der Komponisten und Texter sowie deren Wohnorte und Geburtsdaten mitteilt.

Diese Forderung ist allerdings insofern schwer erfüllbar, als Netaudio eine – wie der DJ und Blogger Ronny Kraak es formulierte “sehr internationale Angelegenheit” ist und viele Musiker ihre Klarnamen gar nicht öffentlich machen – geschweige denn ihre Adresse oder sensiblere Daten. Zudem sind Netzlabels oft eine recht kurzlebige Angelegenheit, weshalb oft nicht einmal eine Anlaufadresse vorhanden ist, bei der ein Nachforschen beginnen könnte. Zudem, so Kraak, habe der stellvertretenden Gema-Aufsichtsratsvorsitzende Frank Dostal 2009 Stern gegenüber behauptet, dass die Mitglieder der Verwertungsgesellschaft dort auch ihre Pseudonyme eintragen lassen.

Bei der Gema heißt es auf Nachfrage von Telepolis zu diesem Fall, dass Stern nur die “Interpreten” vorgelegt hätte, man selbst aber an den “Urhebern” – also an den Komponisten -interessiert sei. Bei zeitgemäßer elektronischer Musik sind diese beiden allerdings fast immer identisch. Hinsichtlich der Pseudonyme, die “nicht zwingend” bei der Verwertungsgesellschaft gemeldet würden, wolle die zuständige Gema-Bezirksdirektion in Dresden diese Woche ein klärendes Gespräch mit Stern führen, mit dem “Unklarheiten ausgeräumt” werden könnten.

Grundlage des Vorgehens der Verwertungsgesellschaft ist die sogenannte “Gema-Vermutung”: Eine Beweislastumkehr, die auf der Annahme gründet, dass keine alten Musikaufnahmen gespielt und verlegt werden und dass jeder Musikurheber auf der ganzen Welt Mitglied bei der Gema oder bei einer ihrer ausländischen Äquivalente ist. Seit jedermann mit einem herkömmlichen Computer halbwegs hörbare Musikaufnahmen herstellen kann und sich auf Portalen wie Jamendo Zehntausende von Titeln und Musikern finden, für die sich die teuren Verwertungsgesellschaften nicht lohnen, wird die Zeitgemäßheit dieser Beweislastumkehr jedoch immer mehr infrage gestellt wird.

Aus diesem Grund initiierte der im Umfeld der Piratenpartei gegründete Verein Musikpiraten unlängst eine Gema-Gegenliste mit Namen und Stücken von Musikern, die nicht bei der Verwertungsgesellschaft gemeldet sind. Zusätzlich erstattete der Musikpiratenvorsitzende Christian Hufgard eine Strafanzeige gegen die Gema, mit der geklärt werden soll, ob die Beweislastumkehr so weit geht, dass die Verwertungsgesellschaft die Herausgabe personenbezogener Daten von nicht bei ihr gemeldeten Musikern fordern darf.

Source : http://www.heise.de/tp/artikel/35/35869/1.html

Von : Peter Mühlbauer in Telepolis > Politik > Copyright

Theologin will Pippi Langstrumpf aus Kinderzimmern verbannen

Theologin will Pippi Langstrumpf aus Kinderzimmern verbannen

“Jetzt geht’s dem Neger an den Kragen” titelte Ernst Corinth in Telepolis vor fast zehn Jahren, als der Kurdenforscher Günther Max Behrendt von der Hannoverschen “Antidiskriminierungsstelle” die Zensur eines bekannten Romans von Agatha Christie erwirkte. Dass der Deutsche Presserat vorher feststellte, dass “Neger” kein Schimpfwort ist, störte die eifrige Ein-Mann-Behörde dabei wenig. Wer solche Kriterien anlegt, der findet noch viel zu säubern, merkte Corinth damals an, und verwies auf ein Gedicht von Johann Georg Scheffner und den rheinischen Karneval, wo man gerne die Stimmungshits von Ernst Neger singt.

Zum Teil erfolgreich war ein Angriff auf Hergés Tim-und-Struppi-Comics, die die britische Commission for Racial Equality (CRE) 2007 aus den Buchhandlungen nehmen und in die Museen verbannen wollte, wo sie mit dem Warnschild “Altmodisches, rassistisches Geschwätz” versehen werden sollten. Als Grund dafür nannte die CRE die “wilden Eingeborenen” in der Erzählung Tim im Kongo, die ihrer Ansicht nach “wie Affen aussehen und wie Schwachsinnige sprechen”. Mittlerweile packt der Verlag Egmont UK den Kongo-Band in eine Schutzbanderole, die vor dem Inhalt warnt, den manche Menschen anstößig finden könnten – trotz einer darin enthaltenen langen Erklärung des Übersetzers zu den Klischees der Zeit, in der das Werk entstand. Und die Waterstones-Kette verkauft ihn nicht mehr in ihren Kinder-, sondern in den Erwachsenenabteilungen.

Ein Dauerbrenner in Sachen Zensurattacken ist Mark Twains erstmals 1884 erschienener Klassiker Adventures of Huckleberry Finn. In einer im Februar 2011 erschienenen Neuauflage ersetzte man die Wörter “injun” durch “Indian” und das 219 mal auftauchende “nigger” durch “slave”. Alan Gribben, ein Literaturprofessor an der Auburn University in Montgomery, der die Änderungen vornahm, erklärte, er habe bei Vorträgen die Erfahrung gemacht, dass sein Publikum weniger “verstört” sei, wenn er aus seiner bearbeiteten Fassung vorliest.

Allerdings gibt es zahlreiche Wissenschaftler, die solch einer Wohlfühlzensur kritisch gegenüberstehen und darauf verweisen, dass man die amerikanische Geschichte zwischen 1835 und 1845 dadurch weniger rassistisch erscheinen lässt, als sie es tatsächlich war. Besonders pikant wird die Zensur dadurch, dass Twain sich sehr viel Mühe mit seinen Texten gab und für den Ausspruch bekannt ist, der Unterschied zwischen dem “richtigen” und dem “fast richtigen” Wort sei “really a large matter”. Einem Drucker, der Änderungen in der Interpunktion von A Connecticut Yankee in King Arthur’s Court vorgenommen hatte, verschaffte er einen Platz in der Literaturgeschichte indem er über ihn schrieb, er habe angeordnet “ihn zu erschießen, ohne dass er vorher Zeit zum Beten bekommt”. Wenig verwunderlich also, dass die Londoner Times in ihrer Besprechung der “kultursensiblen” Neuauflage zu dem Fazit kam, sie sei ein “well-intentioned act of cultural vandalism and obscurantism that constricts rather than expands the life of the mind”.

Ein neuer deutscher Vorstoß gegen Weltliteratur stammt von der “feministischen Theologin” Eske Wollrad, die 1999 über “Wildniserfahrung” als “Womanistische [sic] Herausforderung und eine Antwort aus Weißer [sic] feministischer Perspektive” promovierte und dafür einen Förderpreis der Marga-Bührig-Stiftung erhielt. Sie sprach letzte Woche in Leipzig im Rahmen einer Veranstaltung mit dem Titel “Das Gift der frühen Jahre” über angeblichen “Rassismus in Kinderbüchern”, den sie nicht nur im Splatter-Comic Struwwelpeter, sondern auch in Astrid Lindgrens Pippi-Langstrumpf-Klassikern verortet.

An diesem über 60 Jahre alten Werk stört Wollrad nicht nur, dass die Hauptfigur Pippi an einer Stelle das (von der Theologin möglicherweise nicht als solches erkannte) Wahrheitsparadoxon formuliert, sie habe das Lügen in Afrika gelernt, oder der vom Verlag ohnehin schon in einen “Südseekönig” umzensierte Beruf “Negerkönig”, den der Vater des erfundenen Mädchens zeitweise ausübt, sondern auch, dass die Zusammensetzung der Protagonisten “nicht der heutigen Wirklichkeit entspricht”, in der jedes dritte Kind einen “Migrationshintergrund” habe.

Genau genommen besteht allerdings die fast ausschließlich schwedische Belegschaft von Pippi Langstrumpf an der deutschen Realität gemessen zu praktisch hundert Prozent aus Ausländern – weil das Buch nun einmal zum größten Teil in der schwedischen Vergangenheit spielt. Eine realistische Wiedergabe der aktuell gültigen Bevölkerungszusammensetzung findet sich überdies auch in Tierfabeln, Märchen, Fantasy-Epen und Science-Fiction-Erzählungen mit Aliens nicht. Und schon gar nicht bei den religiösen Mythen, die Religionslehrer gewordene Theologen Grundschulkindern als Wahrheiten verkaufen. Aber sind RTL-Shows wie Deutschland sucht den Superstar deshalb die bessere Kinderunterhaltung?

Der sächsische Ausländerbeauftragte Martin Gillo meinte auf Presseanfragen zu der Veranstaltung, man solle “der Weltliteratur keinen Maulkorb verpassen” und könne Kinder besser als durch Verbote dadurch erziehen, dass man mit ihnen über ihre Lektüre spricht. Auch dem mit Steuergeldern bezuschussten Antidiskriminierungsbüro Sachsen, das den als “praxisbezogenes Vertiefungsangebot für Pädagog_innen” [sic] beworbenen “Workshop” veranstaltete, scheint der Vorstoß der Theologin mittlerweile peinlich zu sein: Für eine Stellungnahme ist dort niemand erreichbar, dafür versuchte man die Ankündigung der Veranstaltung von der Website zu löschen.

Source : http://www.heise.de/tp/artikel/35/35851/1.html

Von : Peter Mühlbauer in Telepolis > Medien

Von irgendwelchen Kerlen und Peinlichkeiten

Düsseldorfer Kulturdezernent zur Rehabilitierung der “Hexen” bekehrt

Inzwischen hat sich auch am Rhein die Auffassung durchgesetzt, dass die beiden 1738 wegen angeblicher Hexerei auf dem Scheiterhaufen hingerichteten Frauen Helena Curtens und Agnes Olmans sozialethisch rehabilitiert werden sollen. Nachdem sich mancher anfangs noch gesträubt hatte, schwor man nun allgemein der Irrlehre ab. Kulturdezernent Lohe betonte, Hexenurteile seien Unrechtsurteile, wies jedoch auf das juristische Problem hin, dass die Stadt nicht Rechtsnachfolgerin des damaligen Schöffengerichts sei. Die Stadt kann daher das Urteil nicht förmlich aufheben, was so allerdings auch nicht beantragt war. Der Beschwerdeausschuss der Stadt Düsseldorf empfahl nunmehr einstimmig, den Frauen zu gedenken und ein mahnendes Zeichen gegen die Ausgrenzung Andersdenkender zu setzen. Angedacht hierzu sind die Benennung von Straßen nach den Opfern, eine Dauerausstellung im Stadtmuseum und eine Vortragsreihe.

Die Einigkeit in Düsseldorf dürfte nicht unwesentlich mit dem Unmut über einen geradezu fundamentalistischen Gegenantrag zusammenhängen: Der Diplom-Theologe Bernhard Meisen fühlt sich offenbar den damals 30 führenden Dämonologen und Juristen verpflichtet, welche seinerzeit das Gericht berieten. Meisen zufolge sei das Urteil nach der damaligen Rechtsprechung “so in Ordnung gewesen”. Durch eine wie auch immer geartete Rehabilitierung werde sein katholischer Glaube in “elementaren Teilen in Frage gestellt”. Er sehe sich in seiner Religionsfreiheit beeinträchtigt, ließ er die RP-Online wissen. Meisen hält es für unstrittig, dass die Frauen “in abergläubische Praktiken und phytotherapeutisches Detailwissen involviert waren” – angesichts des unter Folter gepressten Geständnisses der Frau Olmanns und der durch eine Nadelprobe überführten 14jährigen Frau Curtens eine bemerkenswerte Sichtweise. Meisen untermauerte seine moralische Bewertung der Frauen mit dem Hinweis darauf, diesen sei auch “sexuelle Ungeordnetheit” vorgeworfen worden.

Der erboste Theologe kündigte an, erforderlichenfalls den Klageweg zu beschreiten, denn der offizielle Akt, den Opfern die ,Menschenwürde’ zurückzugeben, würde alle Teilhaber am Feudalsystem, die untergeordnet waren, zu Opfern einer “irregeleiteten Politik” machen, da sie “unterworfen” wurden. Damit würde man aber das Neue Testament und den Apostel Paulus kritisieren, der dieses System unterstützt habe. Zwar lehnt auch Meisen die Verbrennung als übertriebene Rechtsfolge ab, jedoch dürfte es schwierig werden, die exekutierten Frauen nachträglich etwa mit Sozialstunden zu belegen.

Ob sich der fromme Theologe, der anscheinend Hexen und sexuelle Ungeordnetheit fürchtet, nur auf den Rechtsweg beschränken wird oder ob er auch erwägt, sich aus Protest selbst zu verbrennen oder wenigstens sein Diplom, ist derzeit ungewiss. Bei derartigem Bodenpersonal werden pubertierende Frauen, die in Düsseldorf von Geistern träumen, wohl eher zu therapeutischen als zu kirchlichen Hilfsangeboten tendieren. Die Wahrheitsfindung durch Hexenprobe wird jedenfalls auch von den Düsseldorfer Gerichten nicht mehr anerkannt.

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/6/150791

Von : Markus Kompa in Telepolis > Kultur und Medien-News