Hitze, Dürre, Überschwemmungen – am meisten unter der Klimaerwärmung werden die Schwellen- und Entwicklungsländer im “globalen Süden” der Erde leiden. Aber auch die hochindustrialisierten Nationen des Nordens bleiben nicht verschont. Besonders die Bewohner der großen Städte werden von Extremwetterlagen betroffen werden. Erste Projekte und Programme in Deutschland suchen nach Anpassungsmaßnahmen, um das städtische Leben erträglich zu halten. Bisher sind die Ergebnisse der “urbanen Klimaadaption” allerdings bescheiden.

Die Hitzewelle macht den Städtern das Atmen schwer. Wochenlang fällt die Temperatur nicht unter 30 Grad Celsius. In einer dicht geschlossen Glocke über der Stadt stauen sich Hitze, Abgase und Staub. Sogenannte “tropische Nächte” mit durchgängig mehr als 20 Grad Wärme bringen die Menschen um den Schlaf. Heftige Regengüsse verschaffen ihnen zwar kurz Erleichterung – aber die extremen Niederschlagsmengen überfordern die Abwasserleitungen und es kommt zu Überschwemmungen.

Temperatur-Anomalien in Grad Celsius von März bis Mai 2007, basierend auf dem Referenz-Zeitraum von 1961 bis '90. Bild: NOAA

Das ist ein Zukunftsszenario, aber kein unrealistisches. Wer beängstigende Prognosen mag, kann die Beschreibung um beliebig viele katastrophale Auswirkungen der Klimaerwärmung ergänzen. Sie liefert genug Material für gleich mehrere Katastrophenfilme: Kraftwerke und Industrieanlagen stehen still, weil Kühlwasser knapp wird. Deshalb fällt im Stadtgebiet immer häufiger der Strom aus. (Dieser Effekt ist keineswegs aus der Luft gegriffen: Während der Hitzewellen 2003 und 2006 hatten bereits viele deutsche Kernkraftwerke Kühlwasser-Probleme, weil der Wasserstand der Flüsse sank.)

Wer es sich leisten kann, schafft sich einen Stromgenerator an und eine Klimaanlage. Für einzelne Haushalte sind diese Geräte eine Wohltat, aber das Stadtklima verschlechtert sich durch sie noch mehr: durch die Abgase der Motoren, den Stromverbrauch der Klimaanlagen und die Wärme, die sie nach draußen abgeben. Wegen Missernten werden Nahrungsmittel immer teurer. Weil die Kanalisation die plötzlichen Regenmassen nicht aufnehmen kann, fließt Wasser ungeklärt in die Flüsse und Seen. Sauberes Trinkwasser wird knapp. Wegen des wärmeren Klima nehmen Krankheitsüberträger wie Mücken und Zecken überhand und allergieauslösende Pflanzen wie die Ambrosia verbreiten sich noch weiter.

Die Klimaveränderung kommt nicht erst, sie ist bereits da – auch in Deutschland. So ist beispielsweise die Zahl der Hitzewellen und die der heißen Tage (mit einer Maximaltemperatur von über 30 Grad Celsius) seit Mitte des 20. Jahrhundert nachweislich angestiegen. Auch lässt sich zeigen, dass die durchschnittliche Wassertemperatur und die erreichten Spitzentemperaturen des Rheins in den vergangenen dreißig Jahren gestiegen sind. Untersuchungen von Sträuchern wie Schlehe oder Hasel wiederum belegen, dass von 1951 bis heute wegen der höheren Temperaturen die Blüte durchschnittlich 15 beziehungsweise 20 Tage früher beginnt.

In Zukunft wird die globale Durchschnittstemperatur um mindestens zwei Grad Celsius zunehmen. Dann wird sich auch in Mitteleuropa das Klima noch deutlicher ändern. “Zwei Grad mehr”, das klingt nicht unbedingt viel. Aber hinter diesem Durchschnittswert verbergen sich mehr extreme Wetterlagen, beispielsweise längere und intensivere Hitzewellen. Im Winter wird es mehr Niederschläge geben, im Sommer dagegen weniger. Ende des Jahrhunderts, sagt die Mehrzahl der Klimatologen, werden dann Hitzewellen und Unwetter eine neue Qualität erreichen. Dabei sind manche Regionen stärker betroffen als andere. Die oberrheinische Tiefebene beispielsweise (die sich in nord-südlicher Richtung von Frankfurt nach Basel zieht) wird besonders unter Hitze und Dürre zu leiden haben.

Problem “Urbane Wärmeinseln”

Städte sind von der Klimaerwärmung besonders betroffen. Menschliche Siedlungen waren immer schon wärmer als ihr Umland. In dicht besiedelten und bebauten Gebieten speichern Gebäude und Straßen die Hitze und geben sie zeitverzögert wieder ab. Der Energieverbrauch der Stadtbewohner erzeugt zusätzliche Wärme. In Zukunft aber werden die klimatischen Unterschiede zwischen Stadt und Land größer werden. Wegen klimatischer Rückkopplungen werden die mitteleuropäischen Städte immer häufiger zu sogenannten urbanen Wärmeinseln.

Das liegt vor allem daran, dass sommerliche Hochdruckgebiete häufiger werden. Horizontal weht dann wenig Wind, weshalb es kaum Austausch der Luftmassen gibt, während vertikal wärmere Luftschichten wie ein Deckel über dem Gebiet liegen und eine Abkühlung verhindern. Die Sonneneinstrahlung wird außerdem kaum durch Wolken gemildert. Solche Hochdruckzonen können mehrere Tage, gar Wochen am selben Ort verharren und im Durchmesser bis zu 1000 Kilometern groß sein. Die austauscharmen Wetterlagen führen dazu, dass Stadtgebiete, ohnehin wärmer als das Umland, sich immer weiter aufheizen.

Schlimm an solchen Wetterlagen ist unter anderem, dass sich wegen des fehlenden Luftaustauschs Schadstoffe wie Feinstaub oder Stickoxide kaum verteilen. Vor allem steigt die Konzentration von bodennahem Ozon, denn durch Hitze und große Strahlung nehmen dessen Vorgängersubstanzen zu.

Insgesamt werden die Sommer im Mitteleuropa trockener werden. Wenn es aber regnet, wird es sich oft um Sommergewitter handeln, bei denen in kurzer Zeit große Niederschlagsmengen niedergehen. Weil in den Städten der Boden in der Regel versiegelt ist, kann das Regenwasser nicht einsickern oder auf der Oberfläche der Pflanzen bleiben. Sofern die Kanalisation die Flüssigkeit aufnehmen kann und es nicht zu einer Überschwemmung kommt, fließt das Wasser rasch ab – und das Stadtklima profitiert nicht von der Kühlung durch die Verdunstung.

“Vom Mittelmeerraum lernen”

Verdunstung und Luftaustausch – die klimatischen Mechanismen, die für einen räumlichen Temperaturausgleich sorgen – fallen in urbanen Räumen also tendenziell aus. Der Sommer in der Stadt wird zu heiß und zu trocken. Die Stadtplanung könnte darauf reagieren, indem sie “blaue und grüne Infrastrukturen” zurückholt. Dabei steht “Grün” für Grünflächen und “Blau” für Brunnen und offene Kanäle.

Das entsprechende städtebauliche Motto lautet “Vom Mittelmeerraum lernen”. In der mediterranen Welt gibt es schließlich eine lange Tradition, die auf Hitze und Trockenheit reagiert. Verdunstendes Wasser aus frei zugänglichen Brunnen sorgt für Kühlung und eine angenehme Luftfeuchtigkeit. Das direkte Sonnenlicht wird durch schattenspendende Bäume und Arkaden abgefangen. Eine offene Bauweise der Häuser lässt den Wind bis in die Wohn- und Schlafzimmer. Kurz, “grün und blau” machen die Hitze erträglich.

Vieles wäre tatsächlich ohne großen technischen Aufwand möglich und erstaunlich wirksam – nicht nur zur Anpassung an die Klimaerwärmung, sondern auch zu ihrer Abmilderung! Etwa die Bepflanzung von Dachflächen mit immergrünen Gewächsen: solche Dächer senken wegen ihrer isolierenden Wirkung den Heizbedarf im Winter und schützen im Sommer vor Hitze. Ist die Schicht aus Untergrund und Pflanzen mächtig genug, kann sie bei Regen Feuchtigkeit aufnehmen, entlastet dadurch die Kanalisation und ermöglicht eine verzögerte Verdunstung.

Begrüntes Dach in Lower Manhattan. Bild: Alyson Hurt. Lizenz: CC-BY-2.0

Andere, vor allem städtebauliche Maßnahmen sind viel schwieriger umzusetzen und durchzusetzen. Die Städte werden beispielsweise mehr und wirksamere Frischluftschneisen brauchen, die kalte Luftmassen vom Stadtrand in die Innenstadt fließen lassen. Damit der Wärmeaustausch funktioniert, muss es zunächst am Rand der Siedlungen ausreichend große und unbebaute “Kaltluftbildungsflächen” geben. Damit kalte Luft von dort ins Stadtinnere strömen kann, sollten die Grünflächen möglichst miteinander verbunden und mit hohen Laubbäumen bepflanzt sein.

Allerdings liegt bei der urbanen Klimaadaption der Teufel im Detail. Nadelbäume etwa blockieren das Sonnenlicht auch im Winter und steigern so den Heizbedarf der beschatteten Gebäude. Die falschen Bäume und Sträucher verschlimmern die Ozonbelastung sogar noch, weil sie bei großer Hitze biogene Kohlenwasserstoffe abgeben, die zur Ozon-Bildung beitragen. Ein geschlossenes Dach aus Baumkronen über einer viel befahrenen Straße kann zu einer gefährlichen Konzentration der Abgase führen.

Erste Bemühungen um eine Anpassungsstrategie

Insofern geht es bei der urbanen Klimaanpassung auch darum, den Planern zu erklären, was sinnvoll ist und was nicht. Aber es fehlt eigentlich nicht am Wissen, sondern an Taten. “Wir wissen schon lange, was zu tun wäre”, sagt der Klimatologe Wilhelm Kuttler von der Universität Duisburg-Essen. “Es ist Zeit, endlich etwas davon umzusetzen.” Auch Benjamin Bongardt, Referent für Umweltpolitik des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) äußert sich ähnlich: “Die Klimaanpassung muss in die Stadtplanung hinein.”

Klimapolitiker unterscheiden zwischen Mitigation und Adaption – der Vermeidung von Treibhausgasemissionen einerseits und den Anpassungsmaßnahmen, um die Auswirkungen der Erwärmung abzumildern, andererseits. Lange war die Anpassung das Stiefkind der Klimapolitik. Viele scheuten davor zurück, sich mit konkret auf die Klimaveränderung vorzubereiten, weil sie fürchteten, so würde der politische Druck nachlassen, sich doch noch auf eine international verbindliche Mitigation zu einigen.

Allmählich aber ändert sich das – wohl auch, weil die zwischenstaatlichen Klimaverhandlungen keinerlei Vorschritte bringen. Zwar wird weiterhin in regelmäßigen Abständen die Tragikomödie “Die Klimakonferenz tanzt!” aufgeführt (die nächste Vorstellung im November in Durban/Südafrika), aber im letzten Jahr waren die Kohlendioxid-Emissionen weltweit so hoch wie nie zuvor. Sich auf die kommenden Extremwetterlagen einzustellen, ist also sicher sinnvoll.

Bundesweit und regional wird die Anpassung immer ernster genommen. Das Land Berlin beispielsweise verabschiedete vor kurzem einen Stadtentwicklungsplan Klima (STEP). In Modellregionen wird nach optimalen Adaptionsmaßnahmen gesucht. Andere Städte entwickeln Notfallpläne, um die erwarteten extremen Wetterlagen besser zu überstehen.

Auf Bundesebene brachte die Regierung bereits im August 2007 das “Integrierte Energie- und Klimaprogramm” auf den Weg, im Dezember 2008 folgte die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS). Umgesetzt und weiterentwickelt wird die Strategie von dem Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KOMPASS).

Der staatlich organisierte Klimaschutz besteht aus einem schwer entwirrbaren Geflecht von Forschungsverbünden und Modellprojekten. Das Bundesumweltministerium (BMU) bezuschusste Klimaschutzprojekte in den Kommunen und richtete 2008 die Servicestelle: Kommunaler Klimaschutz beim Deutschen Institut für Urbanistik ein. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert im Rahmen der sogenannten Hightech-Strategie sieben Regionen über einen Zeitraum von fünf Jahren mit dem Programm KLIMZUG (“Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten”). Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung wiederum, eine Forschungsstelle des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), beschäftigt sich mit Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel beziehungsweise Urbanen Strategien zum Klimawandel. Zu diesen Forschungsprogrammen kommen noch regionale “Klimabüros”, Kompetenzzentren und (www.klimabuendnis.org) Aktionspläne.

Klimafolgen-Management bisher wenig wirksam

Es geht bei der Adaption um “Klimafolgen-Management”. Ziel ist, “den Klimawandel erfolgreich gestalten”, wie es das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMBF) beispielhaft formuliert. Das klingt zupackend und optimistisch, nach Chancen und Erfolg. Aber was haben die Anpassungsbemühungen bisher gebracht?

Das handfesteste Ergebnis bis jetzt sind wohl die Hitzewarnungen, die der Deutsche Wetterdienst (DWD) seit 2003 veröffentlicht. Ansonsten sind konkrete Maßnahmen rar, abgesehen von vorbildlichen, aber isolierten lokalen Projekten. Selbst die “Aktionspläne” auf lokaler Ebene enthalten keine verbindlichen Vorgaben an Planer und Bauherren, sondern eher wolkige Absichtserklärungen. Institutionen wie der Berliner Liegenschaftsfonds, der die Grundstücke im Besitz des Landes verwertet, könnten den Käufern zwar Klimaadaptionsmaßnahmen vorschreiben – nur tun sie es eben nicht. Dort, wo letztlich die Entscheidungen über die Stadtentwicklung getroffen werden – in den Tiefbau – und Strukturentwicklungsämtern – sieht es ähnlich aus. Welche Gemeinde verzichtet auf den Verkauf einer Brachfläche, um eine Kaltluftkorridor zu schaffen?

Während der Hitzewelle 2003 richtete die Pariser Stadtverwaltung ein Notrufnommer für die Suche nach deren Opfern ein. Bild: Sebjarod. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Aber es liegt nicht nur am ökonomischen Druck, den eigenen Grund und Boden möglichst gewinnbringend einzusetzen, dass es mit der Klimaadaption nicht voran geht. Die Städte und Gemeinden sind in mancher Hinsicht gar nicht handlungsfähig. Um beispielsweise Grünflächen als Kaltluftleitbahnen zu pflegen, sind mehr und gut ausgebildete Arbeitskräfte nötig. Wohnungsbaugesellschaften, die als Vorbild für eine angepasste Bauweise dienen könnten, werden privatisiert oder verkaufen Wohnungen in großem Umfang.

Ende diesen Monats wird die Bundesregierung den neuen “Aktionsplan Anpassung” veröffentlichen. Darin soll erstmals Bilanz gezogen werden, was die bisherigen Adaptionsbemühungen gebracht haben. Die Hitzewelle im Sommer 2003 kostete in Europa 70 000 Menschen das Leben. Es steht zu befürchten, dass noch viele solche Katastrophen nötig sein werden, bis sich wirklich etwas bewegt.

Source :  http://www.heise.de/tp/artikel/35/35200/1.html

Von :  Matthias Becker in Telepolis > Energie