Der im Umfeld der Piratenpartei gegründete Verein Musikpiraten bietet nicht nur ein Liederbuch an, mit dem sich Kindergärten vor finanziellen Forderungen schützen können, sondern veranstaltet auch jedes Jahr einen Musikwettbewerb, dessen 19 Gewinner Stücke auf zwei CDs veröffentlichen können. Diese CDs werden in einem Presswerk hergestellt, das verpflichtet ist, den Inhalt vor der Produktion der Verwertungsgesellschaft Gema vorzulegen. Die fordert für die Freigabe des Tonträgers nun 701 Euro und 92 Cent, obwohl sie nach Angaben der Musikpiraten keinerlei Rechte an den darauf befindlichen Stücken vertritt.
Auch mit der Online-Datenbanksuche der Gema lässt sich keines der auf den CDs befindlichen Stücke finden, an denen die Verwertungsgesellschaft Rechte behauptet: Weder “Zombie Nation” von Jose Travieso, noch “Vague” von Michael Koch, “Dragonfly” von Texas Radio, “Nur Freunde” von Andreas Herr oder “Extrovertiert” von Walter Müller. Allerdings sind darin Personen enthalten, die den gleichen Namen tragen wie Urheber, die sich am Wettbewerb beteiligten.
Die Musikpiraten vermuteten, dass dies der Grund für die Forderung war und teilten der Gema mit, dass sie einem Irrtum erlag. Diese akzeptierte dem Verein zufolge jedoch den Hinweis nicht und meinte, er müsse erst zahlen und dürfe dann versuchen zu beweisen, dass die Titel nicht von den bei der Verwertungsgesellschaft oder deren ausländischen Äquivalenten gelisteten Musikern stammen. Gelänge ihm dies, dann würde er eventuell eine “Gutschrift” erhalte. Bis dahin gehe man davon aus, dass es sich bei den nicht in der Datenbank enthaltenen Stücken um solche handelt, deren Urheber vergessen hätten, sie zu melden.
Besonders erbost über diese Behauptung äußerte sich Michael Koch, der mit seiner Band The Princess and the Pearl auf den CDs vertreten ist: Er trat schon vor geraumer Zeit aus der Gema aus, weil sie ihn nach eigenen Angaben “schon den einen oder anderen Auftritt gekostet [hat], da Veranstalter kleiner Festivals sich die Gebühren nicht leisten können, bei denen am Ende bei uns als Band kaum etwas ankommt”. Dass er und seine Mitmusiker “als Nicht-Mitglied[er] beweisen müssen, dass [ihre] Musik nicht von einem GEMA-Mitglied komponiert wurde” zeigt seiner Ansicht nach, “dass dieser Laden zu viel Macht hat und diese rücksichtslos missbraucht”.
Grundlage des Vorgehens der Verwertungsgesellschaft ist die sogenannte “Gema-Vermutung”: Eine Beweislastumkehr, die auf der Annahme gründet, dass keine alten Musikaufnahmen gespielt und verlegt werden und dass jeder Musikurheber auf der ganzen Welt Mitglied bei der Gema oder bei einer ihrer ausländischen Äquivalente ist. Seit jedermann mit einem herkömmlichen Computer halbwegs hörbare Musikaufnahmen herstellen kann und sich auf Portalen wie Jamendo Zehntausende von Titeln und Musikern finden, für die sich die teuren Verwertungsgesellschaften nicht lohnen, wird die Zeitgemäßheit dieser Beweislastumkehr jedoch immer mehr infrage gestellt wird.
Aus diesem Grund planen die Musikpiraten eine Gema-Gegenliste mit Namen und Stücken von Musikern zu erstellen, die nicht bei der Verwertungsgesellschaft gemeldet sind, und rufen dazu auf, ihnen solche zuzuschicken. Zusätzlich will der Musikpiratenvorsitzende Christian Hufgard heute Strafanzeige gegen die Gema erstatten, weil er der Auffassung ist, dass die Beweislastumkehr nicht so weit gehen kann, dass die Verwertungsgesellschaft für eine Gutschrift der verlangten Beträge die Herausgabe personenbezogener Daten von nicht bei ihr gemeldeten Musikern fordert.
Bei der Gema wollte man sich gegenüber Telepolis nicht zu den Vorwürfen äußern, lockte aber (kurz vorher) mit einer Einladung zum Oktoberfest, wo man “einen der begehrten Tische” im Weinzelt reserviert habe. Diese (nicht wahrgenommene) Einladung erinnerte uns allerdings ein wenig an die EU-Kommission, wo die gleiche Mitarbeiterin für “Journalistenreisen” und “Journalistenpreise” zuständig ist.
Source : http://www.heise.de/tp/artikel/35/35636/1.html
Von : Peter Mühlbauer in Telepolis > Politik > Copyright