Längeres Pendeln ist ungesund

Längeres Pendeln ist ungesund

Räumlich und zeitlich flexibel sollen auch nach Vorstellungen der EU die Menschen in der neuen Arbeitswelt sein. Das schließt neben Umzug und viele Geschäftsreisen auch die Mobilität vor Ort ein, wenn Telearbeit noch nicht eingezogen ist und täglich mehr oder weniger lange Wege zwischen Wohnung und Arbeitsplatz zurückgelegt werden müssen. Pendeln erweitert den Einzugskreis für Arbeitgeber, Arbeitnehmer erhalten möglicherweise bessere Jobs und wohnen billiger oder schöner, aber sie zahlen dafür mit Lebenszeit – und auch mit gesundheitlichen Risiken, wie eine schwedische Studie, die im Open Access Journal BMC Public Health veröffentlicht wurde, herausgefunden haben will.

Zwar werde räumliche Mobilität gerne politisch und wirtschaftlich gefordert, so die Wissenschaftler, kaum aber werde untersucht, wie sich die damit einhergehende Verlängerung der Arbeitszeit und das Unterwegssein auf die Gesundheit der Menschen auswirkt. Um dies zu untersuchen, haben die Wissenschaftler Daten von mehr als 21.000 Menschen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren ausgewertet, die mehr als 30 Stunden in der Woche arbeiten. Befragt wurden die Teilnehmer danach, wie sie zum Arbeitsplatz kommen und wie viel Zeit dies für eine einfache Fahrt kostet. Gefragt wurden sie auch, ob sie unter Schlafstörungen, Stress, Erschöpfung und psychischen und körperlichen Problemen und wie oft sie krankheitsbedingt nicht zur Arbeit gegangen sind. Als Vergleichsgruppe dienten Menschen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen und weniger als eine halbe Stunde unterwegs sind. Durchschnittlich braucht man in Schweden 37 Minuten, um von Zuhause zum Arbeitsplatz zu kommen, das ist etwa EU-Durchschnitt. In den letzten Jahrzehnten hat sich hier wie anderswo die Zahl der Menschen vervielfacht, die mit Autos oder öffentlichen Verkehrsmitteln pendeln.

Wenig verwunderlich ist, dass es sich gesundheitlich positiv niederschlägt, wenn die Menschen mit dem Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen – und die Wegzeit nicht mehr als eine halbe Stunde beträgt – allerdings lässt sich aus den Daten wie meist keine Kausalität ableiten. Dagegen schlägt sich negativ nieder, wenn man mit dem Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln pendelt. Aber es gibt doch auch Überraschungen. Wer mit dem Bus oder dem Zug fährt, der leidet offenbar gesundheitlich stärker, wenn er länger fährt, wer hingegen selbst mit dem Auto fährt, dem geht es besser, wenn er länger als eine Stunde fährt. Dagegen sind die schlechter dran, die zwischen 30 und 60 Minuten pro einfache Fahrt aufwenden müssen.

Die Wissenschaftler können auch nicht erklären, warum längere Autofahrten angenehmer zu sein scheinen als längere Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Vielleicht können sich die Langfahrer auf den gemeinhin ruhigen südschwedischen Straßen besser entspannen, ist eine Vermutung, möglichweise handelt es sich vor allem um Männer, die gut verdienen und vom Land in die Städte fahren. Sie könnten einer Gruppe angehören, die sowieso gesünder ist, wobei auch das Leben auf dem Land selbst gesünder sein soll. Wer über eine Stunde fährt, dürfte wohl tatsächlich eher vom Land kommen und nicht ganz so unter Druck stehen wie die Kurzfahrer, die vermutlich länger im Stau stehen und nur in der Stadt unterwegs sind. Aber die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist selbst stressig, weil man sich hier während der Stoßzeiten in den Massen befindet, während Autofahrer immerhin einen größeren privaten Raum um sich haben und zudem der Meinung sein können, sie könnten selbstbestimmter handeln, auch wenn sie sich auf das Fahren konzentrieren können, während der Pendler in den öffentlichen Verkehrsmitteln auch lesen, surfen oder vor sich hin dämmern kann.

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/10/150730

Von : Florian Rötzer in Telepolis > Science-News

Ramsauer und die Helmpflicht für Fahrradfahrer

Ramsauer und die Helmpflicht für Fahrradfahrer

Nicht einmal 10 Prozent der Fahrradfahrer setzen einen Helm auf. Da aber die Zahl der Unfälle bei Fahrradfahrern in den letzten Jahren gestiegen sei, was natürlich auch damit zusammenhängt, dass immer mehr Menschen nicht nur in der Freizeit, sondern auch für Fahrten zur Arbeit und zu anderen Zielen alltäglich das Fahrrad benutzen.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wird sich unter der wachsenden Menge der Fahrradfahrer nicht unbedingt Freunde machen, wenn er nun mit einer möglichen Helmpflicht droht, falls die Fahrradfahrer nicht Gehorsam sind. Wenn sich die Helmtragequote nicht in den nächsten Jahren “weit über 50 Prozent” erhöhe, “dann muss es fast zu einer Helmpflicht kommen”, meinte der Minister, um die schweren oder tödlichen Kopfverletzungen zu reduzieren. Jeder zweite tödliche Unfall gehe auf eine Kopfverletzung zurück, d.h. von den 381 im Jahr 2010 ums Leben gekommenen Fahrradfahrern 190. Ob die Menschen angesichts dieser Zahlen den Helm freiwillig aufsetzen oder auf die von Ramsauer geforderte Aufklärung reagieren, darf allerdings bezweifelt werden.

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Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts ist die Situation allerdings auch nicht so dramatisch, wie dies Ramsauer darstellt. Im eben veröffentlichten Datenreport 2011 heißt es, dass 2009 51 % der Verkehrstoten als Pkw-Insassen zu Schaden gekommen seien, die Gurte, aber keine Helme tragen. 18% der Toten waren Motorrad-, Mofa- und Mopedfahrer, für die es eine Helmpflicht gibt. 14% waren Fußgänger, die in der Regel ohne Helm unterwegs sind, und nur 11% waren Fahrradfahrer. Zwar war die Zahl der Toten bei den PKW-Insassen, Fußgängern und Motorradfahrern gegenüber 2008 gesunken, während sie bei den sonstigen Verkehrsteilnehmern – wer immer das sein mag – um 3 und bei den Fahrradfahrern um 1 Prozent gestiegen ist. Da man aber davon ausgehen kann, dass die Zahl der Autofahrer sich nicht entscheidend vermehrt hat, wohl aber die der Fahrradfahrer, sollten bei der Zunahme um 1 Prozent eigentlich nicht die Warnglocken läuten.

Interessant ist auch, dass es in den Ortschaften zwar die meisten Unfälle mit Personenschäden gibt (69%), aber wegen der geringeren Geschwindigkeit der Fahrzeuge fallen hier “nur” 30 Prozent der Verkehrstoten an: “Auf den Außerortsstraßen (ohne Autobahnen) ereigneten sich 25% der Personenschadensunfälle”, so das Statistische Bundesamt, “aber 59% der Verkehrsopfer kamen hier ums Leben. Auf den Autobahnen wurden 6 % aller Unfälle mit Personenschaden und 11% der Getöteten gezählt.” Die Geschwindigkeit ist offenbar einer der maßgeblichen Gründe für die Zahl der tödlichen Unfälle. Aber statt hier tätig zu werden und beispielsweise eine Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen oder eine Senkung der Höchstgeschwindigkeit außerhalb von Ortschaften zu fordern, scheint es dem CSU-Politiker weniger riskant zu sein, eine Helmpflicht für Fahrradfahrer ins Spiel zu bringen.

Da die Mobilität in Ortschaften zwar noch immer vom Autoverkehr und von öffentlichen Verkehrsmitteln geprägt wird, aber das Fahrradfahren vor allem bei kürzeren Entfernungen deutliche Zeit- und Geldvorteile mit sich bringt, sieht man von Vorteilen für die Umwelt und die Gesundheit ab (Lärm- und Abgasvermeidung, körperliche Aktivität), wäre auch eher an eine Förderung beim Umstieg aufs Fahrrad und eine entsprechende Verkehrsplanung zu denken, als an eine Helmpflicht. Zwar kann ein Helm manche Risiken bei einem Unfall für Radfahrer senken, aber bei weitem nicht alle und auch nicht für alle Bereiche des Kopfes.

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) ist gegen eine Helmpflicht: “Der ADFC weist Forderungen nach einer Helmpflicht als untauglich zurück. Es ist seit langem übereinstimmende Meinung aller Experten und der Bundesregierung, dass eine Helmpflicht weder durchzusetzen noch zu kontrollieren sei. Sie würde aber die Fahrradnutzung drastisch senken und damit den Autoverkehr zunehmen lassen. Dies ist weder umwelt- noch gesundheitspolitisch zu verantworten.”

In einigen Ländern wie in Finnland oder Neuseeland gibt es bereits eine allgemeine Helmpflicht, in anderen wie in Schweden für Kinder bis 15 Jahren oder wie in Tschechien bis 18 Jahren.

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/8/150659

Von : Florian Rötzer in : Telepolis > Politik-News