Der Krieg gegen die Raucher

Der Krieg gegen die Raucher

Die Schlinge um Raucher wird immer enger gezogen. Nach den Rauchverboten in Kneipen und an Arbeitsplätzen wurde das Rauchen auch schon an öffentlichen Plätzen wie Parks oder Stränden untersagt. In Australien soll nun nach dem Verbot von Werbung noch die letzte Möglichkeit unterbunden werden, attraktiv für Zigaretten zu werben, nämlich auf den Verpackungen. Die sollen uniform werden, keine Logos tragen, Hersteller und Marke nur in kleiner, identischer Schrift mitteilen und abschreckende Warnungen präsentieren (Plain Packaging oder wie man Anti-Werbung macht).

In Schweden will man nun noch einen Schritt weiter gehen. In manchen Gemeinden gibt es für die staatlichen Angestellten bereits ein absolutes Rauchverbot während der Arbeit, also auch während der Pausen, wie das auch von manchen Firmen in den USA verlangt wird. Einige US-Firmen stellen Raucher überhaupt nicht mehr ein, andere verlangen von Rauchern höhere Krankenkassenbeiträge. Gelegentlich werden die Bewerber für einen Job schon einmal nicht nur einem Test auf illegale Drogen, sondern auch einem Urintest unterzogen, um nachzuprüfen, dass sie auch tatsächlich nicht rauchen und dies nicht nur behaupten.

Ganz so weit ist man in Schweden noch nicht, aber in der kleinen südschwedischen Stadt Landskrona will der Stadtrat ebenfalls das in anderen Gemeinden schon beschlossene Rauchverbot während der Arbeitszeiten für die städtischen Angestellten durchsetzen – Politiker sollen freilich davon ausgenommen sein, die beschließen die Maßnahme ja nur zum Besten für die Angestellten. Die sollen dann eben auch nicht mehr während einer Kaffeepause auf die Straße vor das Haus gehen dürfen, um dort eine zu rauchen. Geraucht werden soll aber auch nicht, wenn Angestellte draußen arbeiten – und selbst dann nicht, wenn sie zuhause telearbeiten. Wie das ohne Orwellsche Maßnahmen überprüft werden soll, sei mal dahingestellt. Die Befürworter des Rauchverbots sind der Meinung, dass die Arbeitszeit völlig nikotinfrei sein müsse, was auch Kau- oder Schnupftabak einschließt. Die Erwachsenen, so auch eine Begründung, müssten ein gutes Beispiel setzen.

In Island raucht es zwar vielfach im Land, dennoch geht man hier noch weiter und will am liebsten Zigaretten nur noch an unrettbar Süchtige gegen Rezept ausgeben. Zuvor soll den Isländern mit jährlich erhöhten Preisen die Lust am Qualmen ausgetrieben werden (Zigaretten nur noch für Kranke). Der Krieg gegen das Rauchen nimmt allmählich religiöse Züge an und wird zu einer Austreibung des Teufels, dabei gäbe es zahlreiche andere Verhaltensweisen, nicht zuletzt in der Wirtschaft, in der Finanzwelt oder in der Politik, die nachhaltig die Gesundheit vieler Menschen riskieren und tatsächlich gefährden. Rauchen und Raucher werden zu Sündenböcken einer Gesellschaft, die ansonsten ziemlich ungeniert Umwelt und Gesundheit aufs Spiel setzt.

Werden die Menschen, rauchfrei, gesünder sein und länger leben? Kann man sie durch Gesetze, Auflagen und höhere Belastungen zu einem für sie und ihre Mitmenschen gesundem Lebensstil zwingen? Man darf vermuten, dass die individuelle Suche nach Genüssen andere, ebenfalls riskante Möglichkeiten für die Individuen auftun wird, während die Zerstörung der Umwelt voranschreitet. Die hat nur am Rande was mit der Lust und dem Genuss zu tun, sie erhöht vor allem den Profit und das BIP. Und das will man doch lieber nicht gefährden, weswegen man sich auch bei der Beschränkung der Spekulation an den Börsen so schwer tut. Geld stinkt eben nicht, Zigaretten schon.

Source : http://www.heise.de/tp/artikel/35/35383/1.html

Von : Florian Rötzer in Telepolis > Kultur

SETI reloaded

SETI reloaded

Während rund um den Globus die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz ohne Unterlass weiterläuft, fiel das wissenschaftliche US-SETI-Programm infolge der Haushaltskrise Kaliforniens zwangsweise in einen viermonatigen Winterschlaf. Doch dank der einmaligen Crowdfunding-Aktion SETIStars können die Forscher des SETI-Instituts in Mountain View (USA) das abgeschaltete Allen Telescope Array (ATA) in vier Wochen wieder hochfahren. Die Finanzspritze hilft dem bettlägerigen amerikanischen SETI-Patienten jedoch nur für kurze Zeit auf die Beine. Danach müssen und wollen die SETI-Verantwortlichen ihr Fundraising noch stärker intensivieren.

Falscher Eindruck

Als Mitte April dieses Jahres die internationale Tagespresse auf Print- und Online-Ebene einmütig und einstimmig die Meldung verbreitete, das SETI-Programm sei aufgrund finanzieller Engpässe vorerst komplett eingestellt, kolportierte das Gros der Medien unwissentlich und unabsichtlich eine klassische Falschmeldung. In Deutschland, das eine bunte Presse- und Verlagslandschaft pflegt, verhielt sich dies nicht anders.

Nahezu alle Zeitungen suggerierten in ihren Aufmachern und Zwischenüberschriften, dass die SETI-Projekte allesamt am Ende seien, hierunter auch die ZEIT, die abstrahierend, aber eben fehlerhaft davon berichtete, dass die “Suche nach Leben im All wegen Geldnot eingestellt” werde, was ein “Rückschlag für die Außerirdischen-Forschung” sei.

Irgendeine Galaxie im Kosmos, die dort lebende Zivilisationen aus dieser Perspektive mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bewundern können (wie wir). Bild: NASA/JPL

Auch wenn in diesem Beitrag und in vielen anderen Artikeln der Sachverhalt einige Zeilen später differenzierter erläutert wurde und sodann nur noch die Rede vom US-SETI-Projekt und dem SETI-Institut in Kalifornien war, drängte sich dennoch beim Großteil der Leser unweigerlich der Eindruck auf, dass rund um dem Globus kein einziges professionelles Wissenschaftlerteam mehr nach intelligenten Funksignalen Ausschau hält.

SETI in Argentinien und Australien

In Verkennung der Tatsache, dass SETI (Suche nach außerirdischer Intelligenz) – obwohl in den USA geboren und dort zur stattlichen Größe herangereift – kein reines amerikanisches Projekt und folglich nicht allein für US-Wissenschaftler reserviert ist, vergaßen viele Journalisten und Redakteure offensichtlich, dass in anderen Ländern respektive auf anderen Kontinenten die wissenschaftliche Suche nach hochstehenden Zivilisationen nach wie vor fortgesetzt wird.

Unbeeindruckt von den Finanznöten in der USA horcht beispielsweise Guillermo A. Lemarchand vom Institut für Radioastronomie in (der Nähe von) Buenos Aires (Argentinien) schon seit 1992 im Rahmen des META-II-SETI-Projekts unermüdlich ins All – bis heute.

Ihm und dem Southern Hemisphere SETI Survey in Argentinien zollt vor allem die Grande Dame des US-SETI-Programms und aktuelle Direktorin des Center for SETI Research, Jill Tarter, größten Respekt: “Es ist beeindruckend: Argentinien ist immer noch am Start.”

Allen Telescope Array (ATA). Bild: SETI

Keineswegs die Segel gestrichen oder die Nase gestrichen voll in Bezug auf SETI hat auch Ragbir Bhathal von der University of Western Sydney in Campbelltown (Australien). Zusammen mit zwei Mitarbeitern tastet er nunmehr seit knapp zwölf Jahren im Rahmen des OZSETI-Projekts (Optical SETI in Australia) den Südhimmel nach künstlich erzeugten, extrem kurzen Laserpulsen im sichtbaren, im ultravioletten und im nahen Infrarotbereich ab.

Ich beobachte immer noch den südlichen Nachthimmel und werde dies auch weiterhin tun. Wir wollen uns demnächst sogar ein größeres Teleskops zulegen.

Ragbir Bhatal gegenüber Telepolis

Eine Welt ganz nach dem Geschmack von SETI, vor allem dann, wenn hierauf intelligente, technologisch interessierte Lebensformen existieren sollten, die "senden". Bild: NASA/ESA

SETI Italia und SETI League

15.000 Kilometer weiter westlich operieren Astronomen der SETI-Italia-Gruppe schon seit vielen Jahren mit der 32-Meter-Antenne von Medicina, um aus dem Rauschen im kosmischen Äther eine intelligente Botschaft zu destillieren.

SETI Italia basiert auf dem Prinzip der parasitären Suchweise. Um die kostbare Beobachtungszeit des Medicina-Teleskops nicht extra in Anspruch zu nehmen, montierten die Forscher ein Zusatzinstrument in Gestalt einer Black Box an die Radioschüssel.

SETI-Italia-Team und im Hintergrund die 32-Meter-Schüssel von Medicina. Bild: SETI Italia

Während die Kollegen ihre “all-alltägliche” Routinearbeit verrichten, kann die SETI-Italia-Crew dank des billigen und platzsparenden Huckepackverfahrens parallel nach extraterrestrischen Radiobotschaften intelligenter Natur fahnden. Dass SETI Italia trotz allen Unkenrufen noch leibt und lebt, beweist der Anfang März dieses Jahres einberufene “Italian SETI Congress” (ItaSETI.con 2011), an dem die wichtigsten SETI-Enthusiasten Italiens teilnahmen, unter ihnen der unverwüstliche Claudio Maccone, seines Zeichens italienischer Astronom und SETI-Forscher vom Centre for Astrodynamics in Turin.

Bei alledem sollten auch die engagierten und weltweit verstreuten Hobbyforscher und Profis der SETI League nicht vergessen werden, die zuweilen auf Selbstkostenbasis und in Eigenregie nach extraterrestrischer Intelligenz fahnden, trotz allem aber über ein enormes technisches Know-how und Equipment verfügen und miteinander kooperieren, bisweilen ihre Antennen sogar kombinieren.

Unermüdliche Jill Tarter

Am liebsten würden auch die amerikanischen Astronomen und Exobiologen des SETI-Instituts in Kalifornien umgehend die 42 Radioschüsseln des Allen Telescope Array für eine kontinuierliche SETI-Observation wieder zusammenschalten, die am 15. April notgedrungen abgeschaltet wurden, weil der Bundesstaat Kalifornien, die Universität von Kalifornien und die US-Fördermittelbehörde National Science Foundation (NSF) ihre Zuschüsse kurzfristig eingestellt hatten.

Jill Tarter (Aufnahme vom Juni 2011). Bild: Erhard Mutz

Nach der unfreiwilligen viermonatigen Zwangspause hat der Frustrationspegel der Verantwortlichen ungeahnte Höhen erreicht. “Die Situation ist für uns sehr deprimierend. Wir müssen ATA schnellstens aus dem Winterschlaf holen”, fordert die weltweit bekannteste SETI-Wissenschaftlerin, Jill Tarter, deren Part Jodie Foster seinerzeit in dem vielbeachteten Kinofilm “Contact” spielte.

Die 67-jährige Radioastronomin reist seit Jahren unermüdlich von Stadt zu Stadt, Land zu Land und Kontinent zu Kontinent, um den Menschen nicht nur ihre Arbeit und den Sinn von SETI nahezubringen, sondern zeitgleich auch Spendengelder einzutreiben. Hierbei gelingt es ihr nicht immer, das gewünschte Resultat zu erzielen. Doch von Pessimismus und Resignation ist bei Tarter keine Spur.

Bild: SETI

Anstatt Trübsal zu blasen, startete sie mit ihrem Team am 21. Juni das Projekt SETIStars, bei dem private Investoren via Internet dazu geladen wurden, sich von ihrer spendenfreudigen Seite zu zeigen.

Effektives Crowdfunding

Wenngleich die SETI-Forscher die von ihnen selbst auferlegte Vorgabe, binnen vier Wochen 200.000 Dollar an privaten Spendengelder aufzutreiben, fristgerecht nicht ganz erfüllen konnten (innerhalb eines Monats gingen immerhin 184.000 Dollar auf das SETIStars-Konto ein), erreichten sie dennoch in 45 Tagen das erwünschte Resultat.

Derweil haben um die 2544 Stars bzw. Spender 222.725 Dollar in die verwaiste SETI-Kasse gespült. Hätte es jemals eines Beweises bedurft, dass Crowdfunding als pekuniäre Variante der Schwarmintelligenz in der Praxis wirklich funktioniert, dann hat SETIStars dies eindrucksvoll bewerkstelligt.

Seth Shostak. Bild: SETI

Schließlich stehen dank besagter Initiative nunmehr die Zeichen gut, dass der operative Betrieb der Anlage im nächsten Monat wieder aufgenommen werden kann. “Wir arbeiten zurzeit daran, die ATA-Teleskope Mitte September wieder hochzufahren. Wenn keine unvorhersehbaren Hindernisse auftauchen, geschieht dies auch”, erklärt der Non-Profit- und Fundraising-Spezialist Tom Pierson vom SETI-Institut.

Noch mehr Geld muss her

Vorerst ist unklar, wie lange SETIStars weiterlaufen soll. Wie Pierson diesem Magazin bestätigt, sucht SETI weiterhin nach anderen Optionen, um den Fundraising-Prozess nicht nur in Gang zu halten, sondern auch zu optimieren.

Wir wollen das Fundraising-Konzept SETIStars mit anderen Ressourcen verknüpfen und hoffen zunächst einmal, bis zum Ende dieses Jahres online zu bleiben. Um die Kosten für das Jahr 2012 komplett zu decken, wollen wir während dieses Zeitraums erfolgreich neue Geldquellen erschließen – ob diese nun von Spendern und anderen Partnern kommen.

Seth Shostak, der unerbittliche Optimist und Chefastronom des SETI-Instituts, ist sich darüber im Klaren, dass die bislang aufgetriebenen Gelder nicht ausreichen, um die jährlich anfallenden Kosten von 2,5 Millionen Dollar zu decken.

Ich denke, das Beste wird wohl sein, wenn wir das gegenwärtige SETIstars-Fundraising-Konzept mit den Einnahmen der U.S. Air Force kombinieren, sofern diese das Allen Telescope Array für ihre Satelliten- und Weltraummüll-Beobachtung auch nutzen wollen. Langfristig müssen wir auf jeden Fall weiter daran arbeiten, noch mehr private Spendengelder einzutreiben.

“Wir behalten uns das Recht vor, klüger zu werden”
Ein Gespräch mit der Grande Dame der SETI-Forschung, Jill Tarter.

Source : http://www.heise.de/tp/artikel/35/35299/1.html

Von : Harald Zaun in Telepolis > Wissenschaft > Weltraum

Der Krieg gegen die Raucher

Suppenküchen, Sozialkaufhäuser und Tafeln können nicht unsere Zukunft sein

Für viele Rentner ist der Rentenbezug nicht mehr identisch mit dem Ruhestand. Denn ihre Rente ist so gering, dass sie mit diversen Nebenjobs ihre Rente aufbessern oder Grundsicherung im Alter beantragen müssen, um zu überleben. Die in seichten Filmen präsentierten Senioren, die sich auf dauernder Kreuzfahrt in der Karibik befinden oder den Traum vom Leben auf einer Finca im sonnigen Süden verwirklichen, sind selten.Was man allerdings in deutschen Städten häufiger sehen kann, sind jene Alten, die sich mit dem Sammeln von Pfandflaschen ein Zubrot verdienen oder bei den “Tafeln” anstehen.

“Experten rechnen damit, dass sich der Anteil der über 65-Jährigen, die auf die staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen sind, bis zum Jahr 2025 vervierfachen wird”, erklärt der VdK. Doch schon heute zeigen sich deutliche Auswirkungen. Ein männlicher Erstrentner bezieht heute durchschnittlich 820 Euro und liegt damit deutlich unter dem Satz von 935 Euro, bei dessen unterschreiten man als arm gilt. Auch in der vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle herausgegebenen Studie Altersarmut und soziales Befinden in Deutschland 1995 und 2009, wird die Lage deutlich. Lag der Anteil der männlichen Rentner mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze 1995 in Westdeutschland noch bei 7,0%, so sind es 14 Jahre später bereits 10,2%. In Ostdeutschland stieg der Wert von 2,4 auf 6,7%.

Dieser Trend wird in den kommenden Jahren noch zunehmen, befürchten die Sozialverbände. Während ein Erstrentner 1996 noch mit 70% des letzten Bruttogehaltes in den Rentenbezug wechselte, wird es für kommende Rentnergenerationen bitter. Wer 2030 in Rente geht, erhält nur noch 43% aus der staatlichen Rentenkasse und das bei steigenden Lebenshaltungskosten. Ein Grund vorzusorgen. Doch wer nur Geringverdiener ist oder zwischenzeitlich arbeitslos wird, dürfte nur schwerlich Geld für Riester-Rente und Co. locker machen können.

Dass die Situation sich drastisch entwickelt, weiß man auch beim Arbeitnehmerflügel der CDU. Angesichts drohender Altersarmut forderte deren Bundesvorsitzender Karl Josef Laumann erneut die Einführung einer gesetzlichen Mindestrente. Die Gründe für das Ansteigen der Altersarmut sind freilich nicht unbekannt. Leiharbeit, Niedriglohn und Mini-Jobs sowie der Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung von Renten und Gesundheitssystem. “Das ist Sozialpiraterie zu Lasten der Schwächsten in unserer Gesellschaft. Die Folge wird grassierende Altersarmut sein”, befürchtet man bei der Arbeitsgemeinschaft AWO Südwest. “Suppenküchen, Sozialkaufhäuser und Tafeln können nicht unsere Zukunft sein”, so deren Vorsitzende Rudi Frick, Klaus Stalter und Paul Quirin.

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/8/150300

Von : Manfred Podzkiewitz in Telepolis > Politik-News

Der Krieg gegen die Raucher

Pulverspeicher für Windenergie

Forscher am Leibniz-Institut für Katalyse (Catalysis) haben ein neues energiesparendes Verfahren vorgestellt, mit dem per Elektrolyse gewonnener Wasserstoff gespeichert werden kann. Weil Wasserstoff leicht flüchtig ist und unter atmosphärischem Druck nur eine geringe Dichte hat, bedeutet seine Lagerung mit herkömmlichen Mitteln (hoher Druck, Kühlung, Bindung an Metallhydride) bisher zusätzliche Energieverluste und Kosten. Deshalb ist die Nutzung des Wasserstoffs für die Synthese von Verbindungen, die ihn unter “normalen” Bedingungen lagerfähig und im besten Fall auch noch kompatibel mit vorhandener Infrastruktur (Erdgasnetz, Fahrzeugtank, …) machen, interessant.

Mit der Speicherung von regenerativ erzeugtem Strom als “Windmethan” ging Anfang des Jahres bereits ein erstes Verfahren der Wasserstoffspeicherung per Synthese in die praktische Erprobung. Catalysis erprobt nun einen weiteren Weg – und zwar die Speicherung von Wasserstoff in Methansäure (Ameisensäure). Dabei wird zunächst Kohlendioxid in Wasser gelöst, Wasserstoff zugesetzt und die Flüssigkeit über einen Katalysator geleitet. Es reagiert ein CO2-Molekül mit zwei Wasserstoffatomen zu Ameisensäure (CH2O2). Die entstehende Formiat-Lösung läst sich bereits in dieser Form als Pufferspeicherlösung aufbewahren. Alternativ ist die Lagerung der Ameisensäure in Pulverform möglich.

Für die energetische Nutzung der Speicherlösung wird wiederum ein Katalysator eingesetzt, der Wasserstoff wird frei und kann z.B. für die Strom und Wärmegewinnung in Brennstoffzellen oder Verbrennungsmotoren genutzt werden. Wird die Ameisensäure in gelöster Form aufbewahrt, so ist die Speicherdichte relativ gering und entspricht “nur” in etwa der Energiedichte von heutigen Lithium-Ionen-Akkus. Die Forscher sehen den Einsatz des Verfahrens deshalb nicht primär in mobilien Fahrzeugtanks, sondern überall dort, wo schon heute stationäre Akkus eingesetzt werden, und perspektivisch als Anwendung für die Pufferung von erneuerbar erzeugtem Strom.

Source : http://www.heise.de/tp/blogs/2/150277

Von :  Matthias Brake in Telepolis > Energie und Klima-News

Sonderzone für Erneuerbare Energien in Ostdeutschland

Sonderzone für Erneuerbare Energien in Ostdeutschland

Trotz des oberflächlichen Konsenses für die Umstellung auf ein regeneratives Energiesystem werden ambitionierte Großprojekte hierzulande derzeit ausschließlich in Form der Offshore-Windparks realisiert. Und so schreitet die Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energiequellen mit jährlich lediglich etwa einem Prozentpunkt Zuwachs voran. Bei dieser Geschwindigkeit würde es noch über 70 Jahre dauern, bis eine vollständige regenerative Stromerzeugung realisiert wäre. Und dann blieben noch die Umstellung des Verkehrssystems und der Wärmeerzeugung auf erneuerbare Energien.

Illustration: Christopher Stark. Ausgangsbilder: Soul Free, Rainer Sturm, Ra Boe, Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Mit einer einzigen Regenerativ-Sonderzone könnte auf einen Schlag ein Fünftel des nationalen Strombedarfs gedeckt werden. Im Folgenden soll erläutert werden, wie eine solche Sonderzone in strukturschwachen Gebieten Ostdeutschlands realisiert und konkret ausgestaltet werden könnte.

Ansätze einer zukunftsorientierten ländlichen Entwicklung

Welche Zukunft steht den ländlichen Regionen Ostdeutschlands bevor? Demographisch betrachtet wird sie aller Voraussicht nach ziemlich menschenleer sein. Das Statistische Bundesamt rechnet mit einem Rückgang der Bevölkerung um knapp ein Drittel bis zum Jahr 2060. Die ostdeutschen Bundesländer wissen um diese Zahlen und erkennen weitgehend an, dass diese Entwicklung trotz verschiedener staatlicher Bemühungen wohl nicht grundlegend aufzuhalten sein wird.

Vier Möglichkeiten, mit dem Problem der Entvölkerung ganzer Landstriche umzugehen, sind vorstellbar:

  1. Die demographische Entwicklung wird anerkannt und es wird versucht, durch verschiedene Maßnahmen, z.B. durch Strukturanpassungen des Zentrale-Orte-Musters, die Auswirkungen abzufedern.
  2. Eine massenhafte Immigration von Ausländern nach Ostdeutschland wird vorangetrieben, um den demographischen Trend umzukehren
  3. Dörfer und ländliche Regionen nutzen den Umbau des Energiesystems hin zu erneuerbaren Energien für ihre Eigenversorgung und für die ökonomische Stabilisierung
  4. Die Entvölkerung wird für den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien zur Versorgung der Ballungsgebiete genutzt. Zu diesem Zweck wird eine oder werden mehrere Regenerativ-Sonderzonen errichtet.

Die zuständigen Ministerien der betroffenen Bundesländer verfolgen im Großen und Ganzen Ansatz Nr. 1, also “Weitermachen und Hoffen, dass alles nicht so schlimm wird”. Ansatz Nr. 2 wird im allgemein eher immigrations- und ausländerfeindlichen politischen Klima nicht umsetzbar sein. Ansatz Nr. 3 klingt auf den ersten Blick überzeugend, reicht aber nicht aus. Warum soll hier erörtert werden:

In der Folge der UN-Agenda 21 seit den 1990er Jahren und der sogenannten Lokalen Agenda 21 bekam die bundesdeutsche Regionalpolitik neuen Schwung und es entstanden und entstehen seither eine Vielzahl regionaler nachhaltigkeits- bzw. ökologieorientierter Entwicklungs- und Energiekonzepte. Die konsequenteste Form sind hierbei Energie-Autarkie-Regionen, z.B. sogenannte “Bioenergie-Dörfer”, die sich durch den Einsatz erneuerbarer Energien selbst versorgen.

Solche Ansätze sind zwar lobenswert und deuten in die richtige Richtung, leider taugen sie nur bedingt zur regenerativen Vollversorgung der Städte und Ballungsräume, in denen nun einmal der allergrößte Teil der Bevölkerung lebt. Neben der bestehenden Kleinstaaterei und einer ausschließlichen Fixierung auf das Lokale und Ländliche muss der Blick aber für das große Ganze geweitet werden. Nur dann können die nationalen Zielvorgaben für die Umwandlung des Energiesystems erreicht werden. Da erneuerbare Energien hierzulande sehr viel mehr Raum benötigen, als etwa Atom- und Kohlekraft, müssen die ländlichen Regionen zwangsläufig zu Stromlieferregionen für die Städte werden. Ob das nun gefällt oder nicht.

Eine Regenerativ-Sonderzone hat hier den Vorteil, dass nicht der gesamte ländliche Raum für erneuerbare Energien “umfunktioniert” werden muss, sondern nur einige, besonders wenig genutzte Gebiete. Die Idee einer Sonderzone stellt sich vor allem dem Ansatz Nr. 1 entgegen und will Ergänzung zum Ansatz Nr. 3 sein.

Bevor über das Wie, also über die Ausgestaltung einer solchen Sonderzone nachgedacht werden kann, muss zunächst das Wo erörtert werden. Schließlich ist die hohe Konzentration nur einer privilegierten Landnutzungsart regenerativer Energieerzeugung in einem Gebiet, in dem bereits andere Landnutzungen vorherrschen, schwierig zu realisieren.

Fragen der Standortfindung

Das Suchgebiet für eine Regenerativ-Sonderzone soll sich aus zweierlei Gründen auf Ostdeutschland beschränken. Zum einen leiden ostdeutsche Bundesländer, (insbesondere im ländlichen Norden) unter massiven Bevölkerungsverlusten. Zum anderen besteht eine verhältnismäßig sehr geringe Bevölkerungsdichte von häufig nur etwa 50 Personen pro km2. Die Nutzungskonkurrenz durch Industrie, Gewerbe und Wohnen ist daher vergleichsweise gering und die Zukunftsperspektiven sehen dunkel aus. Es muss nach Konzepten gesucht werden, die negative Entwicklung in diesen Regionen aufzufangen oder die Region anderweitig nutzbar zu machen.

Um in Ostdeutschland einen oder mehrere am besten geeignete Standorte für eine solche Sonderzone zu finden, bietet es sich an, eine Vielzahl unterschiedlicher statistischer, politischer und naturräumlicher Indikatoren als Grundlage zu verwenden. Mit Hilfe einer Heuristik, also einer groben, rechnerischen Suchmethode bestehend aus gewichteten Faktoren, soll die Standortfindung so weit wie möglich objektiviert werden.

Welches Kriterienbündel mit welcher Gewichtung für eine Regenerativ-Sonderzone sinnvoll erscheint, ist in der Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Faktoren und Gewichtung für den Standort einer Regenerativ-Sonderzone (1=niedrigste, 20=höchste Gewichtung)

Die Nutzungskonkurrenz fließt als stärkster Faktor ein. Schließlich steht und fällt die Realisierung einer Sonderzone mit diesem Faktor. Fragen der Akzeptanz, der allgemeinen politischen Landschaft und der Demographie spielen eine große Rolle, da in einer funktionierenden Demokratie nichts gegen die Bevölkerung durchgesetzt werden kann (und darf). Die demographischen Faktoren geben darüber hinaus einen Hinweis auf die mit der Zeit zunehmende Eignung der Gebiete – etwa durch eine natürliche Entsiedlung als Folge des Bevölkerungsrückgangs und der Abwanderung. Die naturräumlichen Faktoren spielen vor allem bezüglich der durchschnittlichen Windgeschwindigkeit eine Rolle.

Neben den hier dargestellten Faktoren gehen noch die allgemeine Bewertung der Raumplanung und des bisherigen Ausbaus der erneuerbaren Energien auf Landesebene als zwei kleinere Faktoren ein. Hiermit soll berücksichtigt werden, wie günstig das jeweilige politische Klima für eine Regenerativ-Sonderzone ist.

Die rechnerische Auswertung der Heuristik erfolgt auf Kreisebene, da dies die kleinste administrative Ebene ist, auf der fast alle relevanten, staatlich erfassten Statistiken verfügbar sind. Herausgenommen wurden lediglich die kreisfreien Städte, da sie für die Errichtung der hier vorgestellten Sonderzone ungeeignet sind. Aus Abbildung 2 wird ersichtlich, welche Kreise am besten und welche am schlechtesten als Standort geeignet sind (hohe Punktezahl = gute Eignung, niedrige Punktzahl = schlechte Eignung).

Abbildung 2: Ergebnis der Suchheuristik: Eignung der Kreise

Die günstigsten Gebiete sind nun ungefähr identifiziert. Wo ganz genau eine oder mehrere Regenerativ-Sonderzonen entstehen sollen, wird später erörtert. Zunächst soll dargelegt werden, wie die konkrete Ausgestaltung einer solchen Zone aussehen könnte.

Die Ausgestaltung einer Regenerativ-Sonderzone

In einer Regenerativ-Sonderzone sollen alle vertretbaren Potentiale erneuerbarer Energien in einem begrenzten Raum genutzt werden.

Der hier vorgestellte Ansatz verzichtet auf die Energieerzeugungsarten Photovoltaik, Geo-, Solarthermie und Wasserkraft und konzentriert sich ausschließlich auf Bio- und Windenergie. Der Grund für den Ausschluss der anderen Erzeugungsarten ist bei der Wasserkraft, dass die Potentiale bereits größtenteils ausgebaut sind und bei der Solarthermie, dass sie zur Stromerzeugung in Mitteleuropa ungeeignet ist. Die Nutzung der Photovoltaik erscheint auf Hausdächern sinnvoll, die langfristige Versiegelung landwirtschaftlicher Flächen im großen Maßstab wird vom Autor jedoch als wenig ökologisch angesehen. Zudem kann die Photovoltaik derzeit in puncto ökonomischer Effizienz (Energieoutput im Verhältnis zur Investition) noch nicht mit der Bio- und Windenergie konkurrieren. Die Geothermie ist derzeit noch nicht ökonomisch effizient und es bleibt die Frage, ob sie es in absehbarer Zeit werden wird. Insofern soll auch diese erneuerbare Energiequelle nicht Gegenstand der Betrachtung hier sein.

Im Folgenden wird dargelegt, wie Windenergie und Bioenergie möglichst effizient und sinnvoll in einer Regenerativ-Sonderzone zum Einsatz kommen können. Zunächst soll die optimale Ausgestaltung der Bioenergie-Erzeugung, dann der Windenergienutzung erläutert werden.

Bioenergie und Transportinfrastruktur

In der Bundesrepublik bestehen überwiegend dezentrale Biogas-Produktionsanlagen, welche von einem oder wenigen Landwirten betrieben werden. Meist wird die Biomasse, also die sogenannte Ganzpflanzensilage (gehäckselte ganze Pflanzen) zusammen mit Mist und oder Gülle im Nassfermentationsverfahren zu Biogas umgewandelt. Dies wird dann in einem dezentralen Blockheizkraftwerk vor Ort verbrannt und so Elektrizität erzeugt. Der Transport der Biomasse erfolgt in der Regel mit einem Traktor direkt vom Feld zur Anlage. Die zurückzulegenden Strecken liegen hierbei bei wenigen Kilometern. Bei Großanlagen wird die Biomasse zum Teil mit LKW oder auch mit Traktoren über zig Kilometer weit transportiert, was ökologisch fragwürdig ist.

In einer Regenerativ-Sonderzone muss der Transport zwar zwangsläufig über etwas größere Distanzen erfolgen als bei einem kleinen Bauernhof, jedoch kann durch den intelligenten Einsatz der effizientesten Transporttechnologien und einer optimalen Infrastruktur gewährleistet werden, dass der Energieaufwand für den Transport dennoch gering ist.

Die Sonderzone soll in zusammenhängende Einzelzonen unterteilt sein, um Transportwege zu minimieren. Als sinnvoll erscheint die Segmentierung in eine Sechseck-Wabenstruktur mit zwei Hierarchiestufen – in sieben große Sechsecke, welche jeweils sechzehn 10-km-Sechseckzonen enthalten. Eine solche Raumunterteilung ist ganz frei der Theorie der Zentralen Orte des Geographen Walter Christaller (1893 – 1963) entlehnt.[1]

Innerhalb jeder der kleinen Sechseck-Zonen mit einer Breite von 10 km von Ecke zu Ecke beträgt die durchschnittliche für Biomasse zurückzulegende Distanz ca. 4,12 km. Dies ist die Distanz, die von einem LKW oder Traktor zurückgelegt werden muss, bis die Biomasse an einem Umladepunkt auf die Schiene verladen wird, um zur zentralen Biogasanlage in einem der großen Sechseck-Zonen zu gelangen (siehe Abbildungen 3 und 4).

Abbildung 3: Infrastruktur der Sonderzone und Einteilung in Sechseck-Zonen.

Abbildung 4: Schematische Darstellung des Transportes der Biomasse hin zur Biogasanlage.

Bei der hier vorgeschlagenen Regenerativ-Sonderzone mit einem Gesamtdurchmesser von etwa 100 km bestünde die oben erörterte Transport-Infrastruktur aus 7 dezentralen Biogasanlagen (grüne Punkte). Durch die umgebenden Waben würden dann jeweils drei gerade Gleisabschnitte (gestrichelte Linien) führen, die jede der sechzehn 10-km-Sechseck-Waben an einem Punkt berühren.

Der in Abbildung 4 schematisch dargestellte Abtransport der Biomasse soll vom Umladepunkt aus (rote Punkte) durch den Einsatz eines Güterzugs erfolgen, da der Rollwiderstand der Gleise erheblich geringer ist als Reifen auf einer Straße. Der Zug ist auf dem Land das energieeffizienteste Transportmittel. Dies gilt insbesondere für Elektroloks, die gegenüber Dieselloks über einen deutlich höheren energetischen Wirkungsgrad verfügen. Elektroloks können in einer Regenerativ-Sonderzone mit dem erzeugten Ökostrom betrieben werden. Da der genaue Zeitpunkt der Biomassetransporte hin zur Biogasanlage nicht auf die Stunde oder den Tag genau erfolgen muss, so kann die Bahn für die Transporte zu Starkwindzeiten fahren, um weniger Energiespeicherung notwendig zu machen.

Um das Transportgewicht und -volumen deutlich zu reduzieren, muss die Biomasse gehäckselt und entwässert werden. Das Häckseln geschieht sinnvollerweise direkt auf dem Feld bei der Ernte und die Entwässerung kann im Bahnwaggon, wie in Abbildung 4 simplifiziert dargestellt, erfolgen.

Neben einer effizienten Transportinfrastruktur sprechen auch weitere Aspekte für die Produktion von Bioenergie innerhalb einer Sonderzone: So kann hier durch die großen Mengen erzeugten Biogases eine höhere energetische Effizienz durch den Einsatz eines zentralen Gas-und-Dampf (GuD) Kraftwerks an Stelle dezentraler Blockheizkraftwerke realisiert werden. Die Strom­er­zeugungsleistung steigt hier auf knapp 60% – gegenüber etwas unter 40% bei Blockheizkraftwerken. Auch sind Großanlagen deutlich günstiger in Bau und Betrieb und weisen weniger Verluste auf als eine Vielzahl kleiner Anlagen. Das GuD-Kraftwerk kann neben Biogas auch Wasserstoff aus der Speicherung überschüssigen Windstroms mitverbrennen.

An Stelle der meist eingesetzten Nassfermentation soll ausschließlich auf die Trockenfermentation gesetzt werden. Hier werden nur pflanzliche Stoffe (ohne Mist und Gülle) in Biogas umgewandelt. Vorteile dieses Verfahrens sind geringere Wärmeverluste beim Gärprozess und ein einfacherer Umgang mit der Biomasse in der Biogasanlage (die Biomasse kann direkt im Transportcontainer verbleiben und dort in Biogas umgewandelt werden).

Die bei der Biogaserzeugung anfallenden Gärreste können zu landwirtschaftlichem Dünger weiterverarbeitet oder direkt als Dünger wieder auf die Felder gebracht werden. Dies ist ins­be­sondere im Hinblick auf die dann höhere Gesamteffizienz der Energienutzung sinnvoll. Ausserdem muss so erheblich weniger klimaschädlicher Stickstoffdünger eingesetzt werden.

Um die ökologische Nachhaltigkeit zu garantieren, muss die Fläche des Maisanbaus in einer Regenerativ-Sonderzone begrenzt werden. Aufgrund der hohen Eignung von Mais für die Biogasproduktion könnte es sonst zu einer Ausweitung von Monokulturen kommen. Der Maisanbau könnte auf 50% aller landwirtschaftlicher Flächen begrenzt werden. Eine Mindestquote für den Anbau von mehrjährigem Agrarholz bzw. Kurzumtriebsplantagen (z.B. 10-20%) und für Winterroggen (z.B. 20%) könnte die ökologische Verträglichkeit ergänzen – je nach den naturräumlichen Begebenheiten im jeweiligen Sonderzonengebiet. Darüber hinaus sollten breite Ackerrandstreifen im Sinne des Artenschutzes und des Landschaftsbildes dort hinzugefügt werden, wo sie bisher fehlen oder dort wo die Felder sehr groß sind.

Die Ausgestaltung einer Regenerativ-Sonderzone: Windenergie

Die Wind­energie ist neben der Wasserkraft und der Solarthermie die derzeit am weitesten entwickelte re­genera­tive Energie­erzeugungsart. Sie ist hierbei im Gegensatz zu den beiden erstgenannten flächendeckend im Gebiet Ost­deutsch­lands einsetzbar.

Der Ausbau der Windenergie findet hierzulande in “Eignungsgebieten” statt. In anderen Gebieten dürfen keine Windkraftanlagen errichtet werden. Die Eignungsgebiete sind meist sehr klein im Bereich von Hektarn und selten wesentlich größer. Die Regenerativ-Sonderzone soll mit einigen Einschränkungen ein einziges Eignungsgebiet sein.

Um die Windkraftanlagen in den Binnenlandstandorten effizient betreiben zu können, insbesondere im mittleren oder südlichen Ostdeutschland mit durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von 4 bis 5 m/s, darf es keine Höhenbegrenzung in einer Sonderzone geben.

Abbildung 5: Durchschnittliche Windgeschwindigkeiten in Ostdeutschland

Der Grund ist, dass je höher die Windkraftanlagen sind, sie desto mehr Energie erzeugen (allerdings mit abnehmendem Zuwachs). Der Unterschied zwischen einem Windkraftwerk mit einer Nabenhöhe von 100 Metern zu einem mit 160 Metern Höhe beträgt auf das Jahr gerechnet im Inland etwa ein Viertel des Energieoutputs.

Bisher gibt es lediglich Gittermasten aus Stahl, die bis zu einer Höhe von 160 Meter reichen. Der Materialeinsatz von Gittermasten ist deutlich geringer als bei klassisch eingesetzten Stahltürmen oder Beton-Stahl-Hybridtürmen und sie können nach dem Rückbau vollständig verwertet werden. In einer Regenerativ-Sonderzone sollen derartige Gittermasten in Kombination mit sehr großen 6 MW Windkraftanlagen zum Einsatz kommen. Die Anlagen sollen in einem gleichmäßigen Muster in technisch optimalen Abständen von 756 Metern (sechs Rotordurchmesser Distanz) zueinander errichtet werden. Dies entspricht einer Gesamtzahl von 115,4 Anlagen pro 10-Km-Sechseckzone.

Der Abstand der WKA zueinander darf grundsätzlich nicht zu gering sein, da es sonst zu Abschattungen und Luftverwirbelungen kommt, was sich wiederum negativ auf die Erträge und die Haltbarkeit der Anlagen auswirkt. Durch Abschattungseffekte liegt der gesamte Ertrag eines Windparks (“Parkwirkungsgrad”) mit Abständen von fünf Rotor­durch­messern z.B. um etwa 12% niedriger, als wenn es keine Abschattungseffekte gäbe. Durch den Bau unterschiedlich hoher benachbarter Windkraftanlagen (etwa abwechselnd 130 m und 160 m) können die Abschattungseffekte reduziert werden, sofern sie an bestimmten Stellen zu hoch sein sollten.

Abbildung 6 zeigt die Dichte von Windkraftanlagen innerhalb einer der vorgeschlagenen Sonderzonen-Standorte. Wie eine Koexistenz intensiver Wind- und Bioenergienutzung und der vor Ort ansässigen Bevölkerung bestehen kann, soll im folgenden Kapitel zur Akzeptanz diskutiert werden.

Abbildung 6: Darstellung der einzelnen Standorte für Windkraftanlagen (grüne Punkte) und Ortschaften (orange/gelbe Punkte) in einer exemplarischen Regenerativ-Sonderzone

Energiespeicherung und Netzausbau

Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energieträger selber und der Transportinfrastruktur ist auch der Ausbau der Stromnetze unabdingbar, wenn eine Regenerativ-Sonderzone mit zig Gigawatt Leistung ins bestehende Netz integriert werden soll. Konkret hieße dies, dass neue Höchstspannungsleitungen gebaut werden müssten.

Um Widerstände der Bevölkerung gar nicht erst entstehen zu lassen und andere negative soziale Kosten durch Oberleitungen zu minimieren, sollen vor allem bestehende Hochspannungstrassen ausgebaut werden. Dies kann geschehen, indem alte Leitungen an den selben Masten durch moderne Hochtemperaturleitungen mit einer 60% bis 100% höheren Kapazität ausgetauscht werden. Sollten weitere Trassen notwendig werden, so sind diese unterirdisch zu verlegen, da solche Leitungen langfristig günstiger in der Wartung sind und ökologisch weniger schädlich.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der geregelt werden müsste, ist die Energiespeicherung. Da die Leistung der eingesetzten Windenergie zufällig schwankt, die Stromnachfrage aber jeden Tag in etwa gleich verläuft, muss sowohl mit der Speicherung von Biogas, als auch mit der Speicherung überschüssigen Stroms, der in Starkwindzeiten anfällt (und nicht ins Netz eingespeist werden kann), entgegengesteuert werden. Das produzierte Biogas und die im Speicher befindliche Energie werden in Zeiten geringer Wind­geschwindig­keiten eingespeist. Zu den anderen Zeiten produziert fast ausschließlich der Wind die Elektrizität. Diese ergänzende Kombination unterschiedlicher erneuerbarer Energieerzeugungsarten wird Kombikraftwerk genannt.

Die Speicherung der überschüssigen Windenergie bei hohem Windaufkommen kann entweder in einem Pumpspeicherkraftwerk mit Wasser, durch die unterirdische Speicherung von komprimierter Luft oder die Umwandlung des Stroms in Wasserstoff erfolgen.

Finanzierung, Eigentümerstruktur

Insgesamt ist mit einem riesigen Investitionsbedarf in Höhe einer schätzungsweise zweistelligen Milliardensumme für die Errichtung einer Regenerativ-Sonderzone zu rechnen. Daher müsste für die Finanzierung über die beschriebenen regionalen Strukturen hinaus eine nationale Finanzierungsstrategie bestehen – möglicherweise mit Unterstützung der Bundesregierung.

Im Sinne der Akzeptanz ist es wichtig, Finanzierungsinstrumente für eine Sonderzone zu nutzen, die langfristig und stabil sind. Die Abhängigkeit vom stark schwankenden und wenig zuverlässigen internationalen Aktien- und Finanzsystem sollte daher vermieden werden.

Bei anderen großmaßstäbigen erneuerbaren Erzeugungsstrukturen (wie etwa der Offshore-Windenergie) tritt das Energiekartell (En.BW, Vattenfall, RWE und e.on) in Erscheinung. Als Investoren oder Teilhaber einer Regenerativ-Sonderzone sollen sie herausgehalten werden. Nur so kann die Oligopolmacht und Preisdiktatur dieser Unternehmen langfristig gebrochen werden. Auch das rein renditeorientierte Verhalten dieser Unternehmen, welches am anti-ökologischen Kurs des Ausbaus der Kohlekraft und dem Festhalten an der Atomenergie deutlich wird, unterstreicht diese Notwendigkeit.

Ebenso wie die Finanzierung nicht durch große Einzelakteure dominiert werden darf, soll auch die Gesellschaftsform nicht hierarchisch und von oben herab gelenkt sein. Das Modell der Genossenschaft könnte für eine Regenerativ-Sonderzone die günstigste Variante sein. Die Genossenschaft hat den Vorteil, dass sich in ihr verschiedenste Akteure engagieren können: von privaten Investoren, über Bewohner oder Landwirte vor Ort, bis zu Personen aus der Regionalpolitik. Hierbei hat jede Partei das gleiche Stimmrecht. In Befragungen wird das Genossenschaftsmodell in ländlichen Gebieten meist verhältnismäßig positiv bewertet, was für eine Umsetzbarkeit insgesamt positiv zu bewerten ist.

Ein Investitions-Kooperationsprojekt aus einer zu gründenden Genossenschaft,und bereits bestehenden bundesweit agierenden Ökostrom-Genossenschaften wäre eine weitere Möglichkeit, Kapital und Fachwissen einzubringen.

Nutzungskonflikte, Akzeptanz und Lösungsmöglichkeiten

Auch in den dünn besiedelten, ländlichen Gebieten Ostdeutschlands besteht eine hohe Landnutzungskonkurrenz von erneuerbaren Energien und verschiedenen anderen Nutzungsarten. Daneben bestehen Gesetze und Planungsvorschriften, welche auf kommunaler sowie auf Landes- und Bundesebene zu berücksichtigen sind. Diese Voraussetzungen machen es nicht leicht, wie hier vor­ge­schlagen, einen “großen Wurf” zu realisieren.

Die wichtigsten Landnutzungskonkurrenzen stellen neben Siedlungen unterschiedlich restriktive Schutzgebiete dar, vor allem Naturschutzgebiete und Nationalparks, in denen weder Landwirtschaft, noch Windkraftanlagen betrieben werden dürfen. Weitere wichtige Nutzungskonkurrenzen sind Gewässer und Infrastruktur wie Hochspannungsmasten oder Straßen. Zu vielen dieser Landschaftselemente bestehen Mindestabstandspflichten, vor allem für die Windenergienutzung, von meist einigen hundert Metern bis etwa 1 km.

In Abbildung 7 sind alle wesentlichen Gebiete, in denen eine Sonderzone nicht errichtet werden darf, rot eingefärbt. Die grünen Flächen repräsentieren die nutzbaren Gebiete, die gelben und andersfarbigen Gebiete können theoretisch genutzt werden. Hier wäre dies aber aufgrund des Vorhandenseins (weniger restriktiver) Schutzgebiete eventuell umstritten. Die Nutzung erneuerbarer Energien ist in den grünen Gebieten im Prinzip nur durch Siedlungen, Infrastruktur und vereinzelte Landschaftselemente wie Gewässer eingeschränkt.

Um die “grünen” und andersfarbigen Gebiete wie z.B. Landschaftsschutzgebiete wirklich für eine Regenerativ-Sonderzone nutzen zu können, müsste die Bundesregierung aktiv werden. Konkret heißt das, dass es für die Realisierung eines Bundesgesetzes bedarf, welches die Blockaden auf regionaler und auf Ebene des betroffenen Bundeslandes löst und eine unbürokratische Lösung ermöglicht. Ein solches Gesetz müsste auch eine Ausnahme von bestehenden Abstandsregelungen für diesen begrenzten Raum sowie die Aufhebung der dort geltenden Imissionsschutzrichtlinien erwirken. Auch Lösungen einer teilweisen oder vollständigen Entsiedlung bzw. Entschädigungen könnten in einem solchen Gesetz verankert werden, ähnlich wie im Bundesberggesetz.

Abbildung 7: Vier mögliche Sonderzonenstandorte und relevante Schutzgebiete

Die ungefähren möglichen Lagen für eine oder mehrere Sonderzonen sind in Abbildung 7 dargestellt. Die Modularität der Unterteilung in Sechsecke lässt es hierbei zu, einzelne 10-Km-Sechseckmodule herauszunehmen, sofern sie über einem besonders schützenswerten Gebiet oder einer größeren Siedlung liegen. So sind auch die in Abbildungen 7 und 9 dargestellten Vorschläge für Sonderzonen nicht kreisrund, sondern “angeknabbert”. Natürlich wäre es auch vorstellbar, alle grünen Bereiche zur Sonderzone zu machen, jedoch ist die hohe räumliche Konzentration im Hinblick auf den Ausbau der speziellen Infrastruktur von Vorteil. Der Grund, weshalb keine der Sonderzonen direkt bis an die Ostsee heranreicht, ist, daß diese Gebiete stark touristisch genutzt sind und somit trotz ihrer theoretischen Eignung für eine Sonderzone ausgeschlossen werden sollen (der Tourismus ist schließlich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region).

Die Frage, wie im Falle einer konkreten Umsetzung mit Einzelkonflikten umgegangen werden kann, soll anhand der vier Beispiele in Abbildung 8 aufgezeigt werden.

Wie hier unschwer erkennbar ist, bestehen trotz der vergleichsweise niedrigen Siedlungsdichte einige Flächenkonkurrenzen zwischen Siedlungen (kleine, orange Punkte) und Windkraftanlagen (apfelgrüne Punkte). Für die betrachteten 10-Km-Sechseckzonen mit einer Fläche von 64,95 km2 ergeben sich jeweils etwa zwischen zwei und fünfzehn Überschneidungen von Windkraftstandorten und Siedlungen oder anderen Landschaftselementen (unmittelbare Nachbarschaft oder Überschneidung).

Abbildung 8: Pragmatischer Umgang mit auftretenden Raumnutzungskonflikten

Bei Beispiel Nr. 1 besteht Raum­nutzungs­­kon­kur­renz zwischen zwei Wind­kraft­anlagen und zwei Weilern, einer Straße (rot) und einem See. Die untere WKA am See könnte unter Inkaufnahme eines etwas geringeren Park­wirkungs­grads stattdessen 50 m weiter nordwestlich errichtet werden. Die obere Windkraft­anlage, welche möglicherweise zu nah (weniger als eine Nabenhöhe Distanz) an der Straße steht, könnte dem­entsprechend 50 m weiter südlich errichtet werden. Die Abstände zu den Weilern betrügen dann in beiden Fällen etwas mehr als der Sicherheits­abstand einer Naben­höhe. Bei Aufhebung der geltenden Abstandsregelungen in der Sonderzone wäre hier aber auch ein geringerer Abstand möglich.

Bei Beispiel Nr. 2 besteht ein möglicherweise zu geringer Abstand zu einem Dorf. Da mehr Menschen in einem Dorf wohnen als in einem Weiler, ist hier auch mehr Rücksicht zu nehmen. Der Bau dieser Anlage könnte entweder ganz entfallen oder ihr geplanter Standort könnte, wiederum unter Inkaufnahme eines geringeren Parkwirkungsgrads, um 100 m weiter nach Norden verlegt werden. Bei den Beispielen Nr. 3 und Nr. 4 sind Straßen, eine größere Siedlung und ein kleiner Fluss vorhanden. Auch hier könnte die geringfügige Verschiebung oder ein Wegfall dieser Anlagenstandorte erfolgen.

Dies sind theoretische Beispiele. Bei einer tatsächlichen Umsetzung einer Sonderzone wäre vor allem aber auch mit dem Konfliktfaktor Zivilgesellschaft zu rechnen, der sehr viel komplexere Problemstellungen aufwirft und dem mit technokratischen Lösungsansätzen nicht beizukommen ist (siehe auch Stuttgart 21).

Es geht also um die Frage der Akzeptanz. Der einfachste Weg, die Bewohner des Gebietes einer Regenerativ-Sonderzone zu überzeugen, dürften finanzielle Entschädigungen sein. Solche könnten für alle Anwohner auf Dauer gezahlt werden. Aufgrund der äußerst geringen Bevölkerungsdichte in den betrachteten Gebieten von etwa 50 Einwohnern je Quadratkilometer wären Entschädigungszahlungen eine realistische Option. Wenn zum Beispiel ein Cent je produzierter Kilowattstunde innerhalb der Sonderzone als Entschädigung an die Bewohner gezahlt würde, dann bedeutete dies eine Summe von etwa 5.645 Euro pro Jahr und Bewohner bzw. 22.580 Euro für eine vierköpfige Familie.[2]

Am meisten Geld an der Windenergie würden Landwirte verdienen. Bei einer Pacht von etwa 18.000 Euro pro WKA im Jahr und der geplanten extrem hohen Dichte von Anlagen, dürfte das für die betroffenen Landwirte beträchtliche Mehreinnahmen bedeuten.

Natürlich wird all das Geld am Ende nicht alle überzeugen. Zum Beispiel wohlhabende Menschen, die bewusst in die Einöde ziehen, um die “ungestörte Natur” zu genießen.

Die Konfliktpotentiale der Bioenergie dürften geringer ausfallen, da bereits Landwirtschaft in diesen Gebieten betrieben wird und sich lediglich der Anbau der Feldfrüchte etwas ändern würde. Hauptproblem dürfte hier sein, dass Landwirte einen Teil ihrer Eigenständigkeit aufgeben müssten.

Das häufig gegen die Bioenergie ins Spiel gebrachte Argument, der Anbau von Pflanzen für die Energiegewinnung sei eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion, dürfte bei Landwirten die mit Bioenergie besser verdienen als mit Nahrungsmitteln, keine so große Rolle spielen. Um dennoch kurz auf diesen Punkt einzugehen: Über 60% der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland werden zur Futtermittelproduktion verschwendet. Halbierte man den gesamtgesellschaftlich und ökologisch fragwürdigen Fleischkonsum durch politische Maßnahmen (etwa durch eine Strafsteuer), so könnten entsprechend knapp 30% der Flächen frei werden – ein Teil davon könnte problemlos für die Bioenergiegewinnung genutzt werden und es bliebe immer noch genug Fläche für zusätzliche Ackerrandstreifen, neue Ökolandbauflächen oder sogar neue Naturschutzgebiete.

Schwieriger dürfte es wie gesagt sein, alle Landwirte davon zu überzeugen, bei einer mehr oder weniger “von oben” initiierten Sonderzone mitzumachen, insbesondere dann, wenn sie schlechte Erinnerungen an die rücksichtslose Enteignungs- und Bevormundungspolitik der DDR im Bereich der Landwirtschaft haben.

Die Fragen der Akzeptanz können an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden. Wesentliche finanzielle Mehreinnahmen und die tatsächliche Beteiligung der Bewohner am Planungs- und Entscheidungsprozess, dürften aber zwei wesentliche Schlüssel für die Umsetzbarkeit sein.

Was bringt die Sonderzone?

Die Erträge, welche mit einer Regenerativ-Sonderzone zu erwirtschaften sind, schwanken bei den hier dargestellten Vorschlägen zwischen 40 und 115 TWh pro Jahr. Bei einer gesamten Bruttostromerzeugung in Deutschland von etwa 597 Terawattstunden (2009), würde dies für die größte hier dargestellte Sonderzone, Vorschlag Nr. 2, einen Anteil der nationalen Stromerzeugung von 19,5% bedeuten. Bei Realisierung aller vier Vorschläge könnte etwas über 60% des gesamten Stromerzeugung erreicht werden. Zusätzlich fällt z. B. bei Vorschlag Nr. 2 eine Wärmeleistung von 390 MW an, welche für die Fernwärmeversorgung eines Ballungsgebietes genutzt werden kann.

Abbildung 9: Eignung für eine Regenerativ-Sonderzone auf Kreisebene und mögliche Standorte

Die in der Tabelle 1 aufgestellte Potentialberechnung geht von verschiedenen Einschränkungen in der Flächennutzung aus, die hier erläutert werden sollen: Die ausschöpfbaren Potentiale der Bioenergie in der Sonderzone ergeben sich aus folgender Rechnung: Alle landwirtschaftlichen Flächen im Gebiet sollen vollständig für Energiepflanzen genutzt werden, abzüglich 15% für Ackerrandstreifen und den Ausbau der ökologischen Landwirtschaft.

Für die Windenergie errechnen sich die Potentiale aus allen Flächen der Sonderzone, abzüglich Siedlungsgsflächen und abzüglich pauschal 10% der Fläche, da mit weiteren kleinräumigen Hindernissen, etwa Gewässern, einzelnen Häusern oder anderweitig hinderlichen Raumelementen zu rechnen ist.

Tabelle 1: Potentiale verschiedener Sonderzonen-Vorschläge
Sonderzone – Vorschlag 1 Vorschlag 2 Vorschlag 3 Vorschlag 4
Zahl der Sechseck-Zonen 78 78 67 27
Flächen Windenergie
Abzug: Siedlungsflächen -7% bis -10% -6% bis -8% -6% bis -8% -6%
Abzug: nicht nutzbarer Flächen von
der Gesamtfläche
-10% -10% -10% -10%
Insgesamt nutzbare Fläche Wind 81% bis 84% 83% bis 85% 83% bis 85% 84% bis 85%
Flächen Bioenergie
Flächenanteil Landwirtschaft 57% bis 69% 52% bis 68% 50% bis 74% 50% bis 63%
Abzugsflächen für Rückzugsflächen
und Ökolandbau
-15% -15% -15% -15%
Insgesamt nutzbare Fläche Bioenergie 49% bis 58% 44% bis 58% 42% bis 63% 42% bis 54%
Ertragspotentiale
Windenergie TWh/a

(installierte Leistung)

108,3

(44,7 GW)

109,8

(45,3 GW)

94,6

(39,1 GW)

38,2

(15,8 GW)

Bioenergie TWh/a Strom / Wärme

(Ges. elektrische- / Wärmeleistung in GW)

7,0 / 4,7

(0,59 / 0,39)

6,8 / 4,5

(0,57 / 0,38)

5,9 / 3,9

(0,50 / 0,33)

2,2 / 1,5

(0,18 / 0,12)

Jährliche Stromerträge

(installierte Leistung)

115,3 TWh

(45,3 GW)

116,5 TWh

(45,9 GW)

100,1 TWh

(39,6 GW)

40,4 TWh

(16,0 GW)

Anteil an nationaler Stromerzeugung 19,3% 19,5% 16,8% 6,8%

Zum Schluss…

Die Umstellung des Energiesystems auf erneuerbare Energien benötigt Raum, der in einem dicht besiedelten Land knapp ist. Um die Vollversorgung der Ballungsräume mit re­genera­tiver Energie in Zukunft zu ermöglichen, wird man mittelfristig nicht umhinkommen, große, bisher ungenutzte Landesteile im ländlichen Raum für die Energiegewinnung umzunutzen. Das Entwicklungs­tempo muss im Hinblick auf die Regenerativ-Ausbauziele stark erhöht werden. Dies bedeutet auch, dass an die Stelle regionalistischer Kleinstaaterei eine stärker gesamtgesellschaftlich orientierte Perspektive treten muss – schließlich ist auch die Energieversorgung überregional.

Die Errichtung einer oder mehrerer Regenerativ-Sonderzonen ist zugleich eine vielversprechende Chance für ländliche Gebiete und eine Möglichkeit, die politisch gesetzten Ziele hin zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien zu erreichen.

Auch wenn die Realisierung hierzulande aufgrund der angesprochenen Widerstandspotentiale und der hohen Landnutzungsdichte nicht erfolgen sollte, so kann das Konzept als Beitrag zur allgemeinen Diskussion um erneuerbare Energien gesehen werden.

Vielleicht hat die Regenerativ-Sonderzone hierzulande auch erst in Zukunft eine Chance, wenn der demographische Wandel in den ländlichen Räumen Ostdeutschlands das Problem der Nutzungskonkurrenz durch menschliche Aktivitäten gelöst hat.

Quelle: ‘Möglichkeiten der ökologisch und ökonomisch sinnvollen Abgrenzung und Ausgestaltung einer “Regenerativ-Sonderzone” zur ausschließlichen Erzeugung erneuerbarer Energie in strukturschwachen Gebieten Ostdeutschlands’ (Diplomarbeit, Fachbereich Geographie an der Universität Hamburg, Dezember 2010/Christopher Stark). Siehe auch www.christopherstark.de/diplomarbeit. Weitere Quellen im Literaturverzeichnis der Diplomarbeit.

Dieser Text sowie die zugrundeliegende Diplomarbeit mit all den dargestellten Grafiken und Karten sind unter der folgenden Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht: CC-BY-SA-3.0.

Text übernommen von http://www.heise.de/tp/artikel/35/35250/1.html in Telepolis > Energie