by Daisymupp | Apr 22, 2012 | Medien
Zwei mächtige, gierige und vielen verhasste Organisationen, die beide jeweils parasitäre Geschäftsmodelle im Bereich des Urheberrechts verfolgen, trafen am Freitag am Landgericht Hamburg aufeinander. Die eine Organisation ist eine gigantische Datenbank, zu der auch die Hostingplattform Youtube gehört und sich für “not evil” hält. Sie betreibt eine Art kulturellen Kommunismus, in dem sie kostenlos Informationen vermittelt, lagert und verteilt. Doch wo immer man etwas kostenlos bekommt, ist man nicht der Kunde, sondern das Produkt: Die Nutzer zahlen mit ihren Daten, sowie mit dem Konsum von Werbung.
Während die eine Organisation die Welt beschenkt und sich beschenken lässt, verfolgt die andere Organisation den kapitalistischen Ansatz, in dem Güter nur gegen Geld geteilt und notfalls künstlich verknappt werden – für Musik im Zeitalter der Digitalkopie ein anachronistisch anmutendes Konzept.
Um an der Nutzung von Werken wirksam zu partizipieren, überwacht diese Organisation die gesamte Bundesrepublik. Sie sendet Späher in Diskotheken und Tanzschulen, um deren Fläche zu vermessen, bedient sich Denunzianten, um Veranstalter der Musiknutzung zu überführen und beschnüffelt das Internet. Gerichte statten sie sogar mit einer Beweislastumkehr dafür aus, dass es sich bei verwendeter Musik um Material handelt, das zu ihrem Wahrnehmungsrepertoire gehöre.
Geschenke
Beide Organisationen beschenken die Urheber.
Die eine bietet den Künstlern eine kostenlose Plattform für Bekanntheitsgrad, wie es traditionell Radio und TV taten. Während früher Produzenten die DJs und Redakteure dafür schmierten, Stücke so oft vor der Zielgruppe zu spielen und Künstler in Shows einzuladen, bis sie Wiedererkennungs- und damit Marktwert erfuhren, kann man heute sogar allein auf Youtube berühmt werden (wenn auch häufig unfreiwillig). Künstler wie die Berliner Sängerin Zoe Leela versuchen diesen Ansatz. Selbst Plattenlabels bewerten das Internet als einen “Segen”.
Die andere Organisation beschenkt die Künstler mit dem Großteil des von ihr bei Musiknutzern abkassierten Geldes. “Schenken” deshalb, weil die Künstler nicht für eine konkrete Dienstleistung bezahlt werden, sondern dafür, dass jemand ihr bereits längst geschaffenes Werk konsumiert oder weiter nutzt. Geldverdienen im Schlaf sozusagen. Sowie das Werk kopiert werden kann, so soll auch die Gegenleistung kopiert werden, allerdings materiell. Während normalerweise im Wirtschaftsleben die Gegenleistung für eine Ware oder Dienstleistung zeitnah realisiert wird und schuldrechtliche Ansprüche nach wenigen Jahren sogar verjähren, wollen Urheber ein Leben lang und danach noch einmal 70 Jahre für ihr Werk honoriert werden.
Für die Künstler erweist sich das Geschäftsmodell der GEMA nur bedingt als ertragreich. Im Durchschnitt entfiel auf jeden der ca. 64.000 GEMA-Künstler pro Jahr knapp 11.500,- € Brutto, was allein zum Leben kaum ausreicht. Doch selbst diese Zahl erweckt einen stark verzerrten Eindruck, denn den Löwenanteil teilen sich ohnehin nur sehr wenige GEMA-Berechtigte, eben die Stars. Die unkreativen Geldeintreiber der GEMA allerdings lassen sich ihren Liebesdienst üppig vergüten, fuhren etwa 2010 für sich selbst 127 Millionen Euro ein (ca. 15% des Gesamtumsatzes). Irgendwo muss ja schließlich auch das Jahresgehalt für den unkreativen GEMA-Chef herkommen, der sich locker mal eben 380.000 Euro ausbezahlt.
Geschacher
Die GEMA möchte nun bei Youtube mitverdienen – nach Art des Hauses parasitär. Wenn ein Konzertveranstalter an die GEMA latzt, beteiligt sich die GEMA ja auch nicht am Risiko, ob das Konzert rentabel verläuft – da wäre es ja noch schöner, müsste man sich etwa an den Hostingkosten von Youtube beteiligen. Während für Radio pro abgespieltem Titel kassiert wird, den Tausende Hörer gleichzeitig konsumieren, will die GEMA für jeden einzelnen Abruf die Hand aufhalten.
Nach ihren Preisvorstellungen sollten pro Abruf 0,6 Cent an die Verwertungsgesellschaft fließen, was bei 63,3 Millionen Abrufen schon mal das Gehalt des GEMA-Chefs sichern würde. Dass Youtube durchaus bereit ist, die Künstler zu beteiligen, steht außer Frage, denn in über 40 Ländern kamen Vereinbarungen mit Musikverwertungsgesellschaften bereits zustande. Doch offenbar scheint die Gier der GEMA besonders groß zu sein – was vermutlich kaum jemanden wundern dürfte, der jemals mit der deutschen Musik-Wahrnehmungsgesellschaft zu tun hatte.
Nachdem beide Organisationen lähmend lange Verhandlungen führten, trafen sich die Kontrahenten an dem für Immaterialgüterrechte bizarrsten Ort der Welt – am Landgericht Hamburg. Dort fiel der Fall in die Hände des Vorsitzenden Richters Steeneck, der im Gegensatz zu manchem seiner Hamburger Kollegen durchaus als besonnen gilt. Das Gericht lehnte die von der GEMA begehrte Einstufung als “Täterin” ab, was eine Verantwortlichkeit für sämtliche urheberrechtsrelevanten Handlungen nach sich gezogen hätte. Youtube hätte in diesem Fall sein gesamtes Repertoire prüfen müssen, das von Fremden hochgeladen wurde.
Wie jedoch nicht anders zu erwarten, erkannte das Gericht auf eine Störerhaftung. Wie jeder Blogbetreiber auch haftet damit Youtube ab Kenntnis rechtswidriger Uploads, die insoweit für die Zukunft wirksam unterbunden werden müssen. Dies geschieht bereits durch die eigens entwickelte Content ID-Software, jedoch verlangt das Gericht zusätzlich auch digitale Fingerprints der Musikstücke sowie den Einsatz eines Wortfilters, der Werktitel und Interpret erkennen und blockieren soll.
Etliche Künstler mit identischen oder ähnlichen Namen bzw. Werktiteln dürfen sich auf lustige Zeiten einstellen. Wer etwa den Vornamen “Nicole” führt, dürfte künftig wegen einer Grand Prix-Sängerin dieses Künstlernamens Probleme beim Upload bekommen. Aufgeweckte Musikfreunde indes werden den Filter mit Fantasienamen zu umgehen wissen, Konsumenten werden ohnehin auf Spezialsoftware zur Umgehung des länderspezifischen Filters zurückgreifen.
Das Gericht verteilte an die GEMA auch weitere Ohrfeigen. So hatte die GEMA für ihre Musterklage 12 Musikstücke herausgesucht, die angeblich nicht schnell genug gesperrt worden seien. Das wurde aber offenbar nur für sieben Stücke hinreichend plausibel gemacht, während für fünf die Klage unschlüssig blieb. Verabschieden werden wir uns also vorläufig von großen Kulturgütern wie Rolf Zuckowskis “Im Kindergarten (1994).
Zu den Blindgängern der Klage gehört immerhin “Rivers of Babylon” von Boney M. (1978), wobei der Filter offenbar gerade Wochenende hat und daher die Klage bei entsprechendem Vortrag und Beweisangebot eigentlich schlüssig hätte sein müssen. Auch der Mirelle Mathieu-Titel “Akropolis adieu”, den Christian Bruhn komponierte, ist aktuell noch sicht- und hörbar (wenn man das wirklich will …).
Komponist Bruhn dürfte zu den handverlesenen Künstlern gehören, die sich über die GEMA kaum beklagen werden, saß er doch ab 1982 in deren Aufsichtsrat. System verstanden! Hoffentlich verrät Bruhn niemand, dass sein vermutlich bestes Werk ebenfalls noch auf Youtube zu finden ist. Es wäre doch schade, wenn kommende Generationen das Werk nicht mehr kennen lernen, nur weil die zugehörige Zeichentrickserie aufgrund anspruchsvollerer Sehgewohnheiten nicht mehr im TV zu sehen sein wird.
Source : http://www.heise.de/tp/artikel/36/36809/1.html
Von Markus Kompa in Telepolis > Medien
by Daisymupp | Apr 9, 2012 | Politik
Ein Gespenst geht um in Europa – doch es ist nicht das Gespenst von 1848, das eine Revolution wollte, sondern eine Art Pac-Man-Geist, der dem Urheberrecht und der Demokratie in einer Evolution ein Update verpassen möchte. Statt Manifest und Diktatur bietet er Liquid Democracy und Basisdemokratie. Doch inzwischen hat der unersättliche Pac-Man der Verwertungsindustrie die Kraftpille gefressen und jagt umgekehrt die nun von ihm einfarbig gemachten Schreckgespenster.
“Zuerst ignorieren sie dich, …”
Die bevorstehende Wahl in NRW, der Signalwirkung für die Bundestagswahl beigemessen wird, stellt für die Piratenpartei in mehrfacher Hinsicht die bislang größte Herausforderung dar. 2009 konnte man sie bei der Europawahl und Bundestagswahl als Kleinpartei abtun und in der Wahlkampfberichterstattung ignorieren. Bei der NRW-Wahl von 2010 ließ sich das Anliegen der daher kaum wahrgenommenen “Internet-Partei” mit dem Label “Kinderpornograhie” diskreditieren – eine Strategie die nach der parteiübergreifenden Abkehr von den aberwitzigen Internetsperren heute nicht mehr ziehen würde.
“… dann lachen sie über dich, …”
Dampfplauderer Ulrich Wickert, der von Urheberrecht in etwa so viel Ahnung hat wie Ansgar Heveling vom Internet, hielt 2009 die Vision, die Piratenpartei bekäme 5,1 %, für “kabarettistisch” – nahm den politischen Mitbewerber jedoch wenigstens wahr. Jede Stimme für die Piraten sei im Gulli, tönte ein Politiker, dessen Partei der Berliner Gulli prompt aus dem Abgeordnetenhaus verwies. Nunmehr hat die Piratenpartei nicht nur den Einzug in zwei Landesparlamente geschafft, sondern bringt es als erste nicht im Bundestag vertretene Partei im “Deutschlandtrend” auf zweistellige Zustimmungswerte. Der Einzug ins Düsseldorfer Parlament ist nunmehr Pflicht.
Inzwischen nehmen die Medien – genauer: die Printmedien – die Partei nicht nur ernst, sondern auch auseinander und geben sie – durch erstaunlich schwachen Journalismus – nicht selten der Lächerlichkeit preis. Etliche Piraten sind bereits in die Interview-Falle getappt. Beispiele gefällig?
Dem NRW-Vorsitzenden legte DER WESTEN die Behauptung in den Mund, die Partei fordere eine Diätenerhöhung. Dem NRW-Spitzenkandidat schob DER SPIEGEL gerade unter, er habe entgegen dem Bundesvorsitzenden bezahlte Vorstände gefordert. BILD bauscht eine unterschiedliche Ansicht zwischen einem Berliner Piraten und dem Bundesvorsitzenden zur “Meuterei” auf und deutet jede unterschiedliche Meinung als Chaos. DER SPIEGEL lässt Urpirat Jens Seipenbusch als intriganten Karrieristen erscheinen, obwohl der frühestens 2014 wieder für etwas kandidieren will. CICERO sieht in Christopher Lauer einen machtaffinen Joschka Fischer (kein Link auf das Blatt aus hygienischen Gründen). Und hätte die politische Geschäftsführerin Marina Weisband nicht angekündigt, nicht erneut zu kandidieren, hätte man für sie zweifellos ein ähnliches Etikett gefunden.
Die Piratenpolitiker sind medienunerfahrene Amateure. Sie geben lange Interviews, ohne zu ahnen, dass sich Journalisten vorzugsweise nur die negativen Aspekte herauspicken, denn vor allem die haben Nachrichtenwert. Sie sprechen mit Journalisten “off the record”, ohne sich Vertraulichkeit zusichern zu lassen. Sie geben Interviews, ohne sich diese zur Autorisierung vorlegen zu lassen (Missverständnisse sind in Interviews der Normalfall). Journalisten picken aus der digitalen Kommunikation der nunmehr über 24.000 Parteimitglieder Einzelmeinungen heraus, die skandalisiert werden. Während kein Mensch auf die Idee käme, Pöbelei von 8jährigen auf irgendeinem Bolzplatz dem DFB zuzuschreiben, verfügen die Piraten anscheinend über 24.000 Repräsentanten. Letztes Wochenende entdeckte man sogar ein Sexismus-Problem – das es so oder ähnlich leider in allen Parteien und Gruppierungen gibt, insbesondere da, wo anonyme Kommunikation erlaubt ist. Wie viele weibliche Chefredakteure haben denn eigentlich die namhaften Zeitungen geboten? Und sind die Witze, die männliche Journalisten der Qualitätsmedien nach dem zweiten Bier reißen, durchgängig political correct?
Ironischerweise könnten solch negative Schlagzeilen der Piratenpartei bei Wählern und bislang überzeugten Nichtwählern, die von den glatten PR-Inszenierungen der konventionellen Wahlstimmen-Anbiederer abgestoßen wurden, sogar Sympathien einbringen. So peinlich diese in der Öffentlichkeit ausgetragenen Parteiinterna auch sein mögen, sie kommunizieren Transparenz und Ehrlichkeit – ein erklärtes Piratenanliegen.
“… dann bekämpfen sie dich …”
In diesen Wochen nun ist definitiv “Phase 3” des berühmten Gandhi-Zitats angelaufen. Waffentragende Journalisten nehmen die Maske ab, Verkäufer von bedrucktem Papier erklären offen die Feindschaft, das Hausblatt industrieller Krämerseelen schickt eine Hundertschaft vorgebliche Kronzeugen geprellter Urheber ins Feld, nachdem dort 51 kriminell schlecht informierte Tatort-Autoren beim digitalen Schusswechsel ausgeschaltet wurden, ganz zu schweigen vom unglücklichen Sven Regener, der gegen den Wind pinkelte.
Die Möchtegern-Enthüllungsreporter des Cicero, die sogar mit googeln überfordert sind, weigern sich hartnäckig, eine verlangte und von Gesetzes wegen geschuldete Gegendarstellung für ihr Totalversagen anzubieten – pikant, denn ursprünglich hatte Cicero einer Piratin am Zeug geflickt, ausgerechnet ihre digitalen Spuren zu verwischen, versteckt selbst aber seine halbherzige wie unvollständige redaktionelle Richtigstellung auf Seite 3, die eine Woche nach dem versuchten Rufmord ohnehin keiner mehr anklicken wird.
Doch in Wirklichkeit geht es der Printesse gar nicht um die Auseinandersetzung in der Sache. Auch diese Leute sind nicht so naiv, wie sie sich geben, sondern wissen selbstverständlich ganz genau, dass es den Begriff “geistiges Eigentum” im deutschen Recht gar nicht gibt. Sie wissen auch, dass die Piraten das Urheberrecht keineswegs abschaffen wollen.
Die 51 Tatort-Schreiberlinge werden über die ARD und damit die GEZ besoldet, Downloads von Tatort-Drehbüchern sind bislang nicht beobachtet worden. Auch die in Los Angeles lebende Franka Potente, die ihr Regie-Debut 2006 gar nicht nicht an der Kinokasse, sondern aus öffentlichen Mitteln realisierte, kann nicht wirklich so gnadenlos dumm sein, dass sie kontrollierte Plattformen wie “Youtube” für eine Bedrohung der Urheberrechte hält. Auf der Klaviatur der Angst spielt auch der bayrische Innenminister, der jüngst die Piraten (denen ein ehemaliger CDU-Mann vorsteht) als “extrem linksalternativ ausruft, was dem braven Bürger einen gewaltigen Schrecken einjagen muss, an dem McCarthy seine Freude hätte.
Tatsächlich zielen solche Kampagnen also nicht etwa auf ein intellektuelles Publikum ab, sondern sollen bei uninformierten Massen eine Stimmung der Angst erzeugen. Die Piraten sollen als Feinde der beliebten Künstler wahrgenommen werden, die es zu behüten gilt. Dass das Urheberrecht der Gegenwart in erster Linie die Interessen unkreativer Verwerter schützt, welche die Urheber regelmäßig über den Tisch ziehen, fällt dreist unter den Tisch. Soweit der Wahlkampf also in den Printmedien stattfindet, muss zur Kenntnis genommen werden, dass dieser Kampfplatz partiell sabotiert ist. Politik ist nun einmal ein schmutziges Geschäft.
Doch völlig ausgeliefert sind auch die Piraten solchen Gegnern nicht. Als den Berliner Piraten im Wahlkampf um den Senat bewusst wurde, dass gewisse Medien trotz intensiver Kommunikation vornehmlich Blödsinn schrieben, schnitten die Piraten zurück, indem sie diesen Blättern keine Interviews mehr gaben. Ohne O-Töne oder Exklusiv- und Hintergrund-Informationen verlieren politische Journalisten einen gewichtigen Teil ihrer Funktion und Autorität. Agenturmaterial durchreichen, Pressetexte altklug kommentieren und googeln kann jeder (außer vielleicht die Redaktion vom Cicero …).
“… und dann gewinnst du.”
“Wir haben das Geld einer 0,2-Prozent-Partei, Programm und Struktur einer 2-Prozent-Partei – aber an uns werden die Erwartungen einer 12-Prozent-Partei gestellt”, resümierte jüngst die Bundesgeschäftsführerin der Newcomer.
Gegen die 4.000 NRW-Piraten steht eine Armada von wahlkampferprobten 8.600 NRW-Linken, 12.500 NRW-Grünen, 16.000 NRW-FDPlern, 134.500 SPDlern und 154.000 CDUlern – Flottenverhältnis 1:100. Doch auch die historische Armada war letztlich ein Schlag ins Wasser. Sollte es den NRW-Piraten gelingen, trotz unterirdischer PR-Kampagnen in den Düsseldorfer Landtag einzuziehen, so wäre dies auch ein Indiz dafür, dass sich die angestammte publizistische Macht der Zeitungsverlage, die eine enge Symbiose mit den etablierten Parteien und Wirtschaftsleuten pflegen, dank Internet entscheidend relativiert hätte. Allein das mögliche Signal, dass sich die Informationsgesellschaft nicht mehr länger mit medialer Propaganda abspeisen ließe, wäre der Mühe wert.
Hinweis: Der Autor ist unabhängig und überparteilich.
Aufgrund von Leserzuschriften weisen wir darauf hin, dass es sich beim Hinweis “unabhängig und überparteilich” um eine selbstironische Anspielung auf den Slogan der BILD-Zeitung handelt, die sich spätestens beim Anklicken hätte erschließen sollen.
Source : http://www.heise.de/tp/artikel/36/36728/1.html
Von Markus Kompa in Telepolis > Politik > Meinung
by Daisymupp | Apr 6, 2012 | Kultur, Medien
Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) will ab kommendem Jahr ihr Tarifsystem für Veranstalter vereinfachen. Die Nutzungskosten für Gastronomen, Discotheken, Tanzschulen, Partys, Stadtfeste usw. berechnete die GEMA bisher nach der zu beschallenden Fläche, Dauer und einem branchenspezifischen Tarif. Für Veranstaltungen, bei denen (außerhalb von konventionellen Konzerten) Live-Musik und solche aus der Konserve genutzt werden, will die GEMA ab dem 01.01.2013 ihre bislang elf ausdifferenzierten Tarife auf ganze zwei eindampfen. Die GEMA orientiert sich künftig an den beiden Faktoren “Größe einer Veranstaltung” in linearen 100 Quadratmeter-Schritten und “Eintrittsgeldern” in Ein-Euro-Schritten. Wie bisher auch ist die Nutzung vorher anzumelden.
Während die GEMA ihre Tarifänderung als großen Wurf verkauft und die Orientierung am Eintrittsgeld kaufmännisch durchaus Sinn macht, hat die Sache einen Haken: Es wird für etliche Nutzer dramatisch teurer. Veranstalter von Straßenfesten können sich locker auf die doppelten GEMA-Kosten einstellen. Betreiber von Diskotheken fürchten gar eine Versiebenfachung der Kostenlast. Da im Discothekenbereich beim Eintritt die finanzielle Schmerzgrenze der Kids bereits als ausgereizt gilt, dürften etliche Unternehmungen unwirtschaftlich werden. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband spuckt Blut.
GEMA-freie Musik wie Werke längst verstorbener Künstler oder von solchen, die bewusst auf eine GEMA-Mitgliedschaft verzichten, dürfte für professionelle Veranstalter künftig deutlich attraktiver werden. Eine andere Alternative wäre die Gründung einer konkurrierenden Musikverwertungsgesellschaft, die das Repertoire ihrer Künstler zu moderateren Tarifen anbietet. Entgegen einer landläufigen Fehlvorstellung ist die GEMA keine staatliche oder mit einem staatlichen Monopol beliehene Institution, vielmehr könnten sich gewitzte Musiker und Unternehmer zusammentun und nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz eine alternative Wahrnehmungsgesellschaft gründen. Dies würde auch dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft entsprechen, in dem das faktische Monopol ein Fremdkörper ist und die Bildung von Tarifen dem Markt überlassen wird.
Source : http://www.heise.de/tp/blogs/6/151754
Von Markus Kompa in Telepolis > Kultur und Medien-News
Photo : ddp/Michael Gottschalk
by Daisymupp | Nov 9, 2011 | Kultur, Medien, Menschenrechte
Inzwischen hat sich auch am Rhein die Auffassung durchgesetzt, dass die beiden 1738 wegen angeblicher Hexerei auf dem Scheiterhaufen hingerichteten Frauen Helena Curtens und Agnes Olmans sozialethisch rehabilitiert werden sollen. Nachdem sich mancher anfangs noch gesträubt hatte, schwor man nun allgemein der Irrlehre ab. Kulturdezernent Lohe betonte, Hexenurteile seien Unrechtsurteile, wies jedoch auf das juristische Problem hin, dass die Stadt nicht Rechtsnachfolgerin des damaligen Schöffengerichts sei. Die Stadt kann daher das Urteil nicht förmlich aufheben, was so allerdings auch nicht beantragt war. Der Beschwerdeausschuss der Stadt Düsseldorf empfahl nunmehr einstimmig, den Frauen zu gedenken und ein mahnendes Zeichen gegen die Ausgrenzung Andersdenkender zu setzen. Angedacht hierzu sind die Benennung von Straßen nach den Opfern, eine Dauerausstellung im Stadtmuseum und eine Vortragsreihe.
Die Einigkeit in Düsseldorf dürfte nicht unwesentlich mit dem Unmut über einen geradezu fundamentalistischen Gegenantrag zusammenhängen: Der Diplom-Theologe Bernhard Meisen fühlt sich offenbar den damals 30 führenden Dämonologen und Juristen verpflichtet, welche seinerzeit das Gericht berieten. Meisen zufolge sei das Urteil nach der damaligen Rechtsprechung “so in Ordnung gewesen”. Durch eine wie auch immer geartete Rehabilitierung werde sein katholischer Glaube in “elementaren Teilen in Frage gestellt”. Er sehe sich in seiner Religionsfreiheit beeinträchtigt, ließ er die RP-Online wissen. Meisen hält es für unstrittig, dass die Frauen “in abergläubische Praktiken und phytotherapeutisches Detailwissen involviert waren” – angesichts des unter Folter gepressten Geständnisses der Frau Olmanns und der durch eine Nadelprobe überführten 14jährigen Frau Curtens eine bemerkenswerte Sichtweise. Meisen untermauerte seine moralische Bewertung der Frauen mit dem Hinweis darauf, diesen sei auch “sexuelle Ungeordnetheit” vorgeworfen worden.
Der erboste Theologe kündigte an, erforderlichenfalls den Klageweg zu beschreiten, denn der offizielle Akt, den Opfern die ,Menschenwürde’ zurückzugeben, würde alle Teilhaber am Feudalsystem, die untergeordnet waren, zu Opfern einer “irregeleiteten Politik” machen, da sie “unterworfen” wurden. Damit würde man aber das Neue Testament und den Apostel Paulus kritisieren, der dieses System unterstützt habe. Zwar lehnt auch Meisen die Verbrennung als übertriebene Rechtsfolge ab, jedoch dürfte es schwierig werden, die exekutierten Frauen nachträglich etwa mit Sozialstunden zu belegen.
Ob sich der fromme Theologe, der anscheinend Hexen und sexuelle Ungeordnetheit fürchtet, nur auf den Rechtsweg beschränken wird oder ob er auch erwägt, sich aus Protest selbst zu verbrennen oder wenigstens sein Diplom, ist derzeit ungewiss. Bei derartigem Bodenpersonal werden pubertierende Frauen, die in Düsseldorf von Geistern träumen, wohl eher zu therapeutischen als zu kirchlichen Hilfsangeboten tendieren. Die Wahrheitsfindung durch Hexenprobe wird jedenfalls auch von den Düsseldorfer Gerichten nicht mehr anerkannt.
Source : http://www.heise.de/tp/blogs/6/150791
Von : Markus Kompa in Telepolis > Kultur und Medien-News