Die Wellen im Baskenland sind berühmt. Vor allem schätzen Surfer die große nach links brechende Welle mit ihren Tubes vor dem Dorf Mundaka. Nicht weit entfernt von Mundaka liegt auch das Mutriku, wo kürzlich weltweit das erste kommerziell genutzte Wellenkraftwerk ans Netz gegangen ist. Dem Hafen vorgelagert wurde eine Mole errichtet, die es im wahrsten Sinne des Wortes in sich hat. Sie schützt nicht nur den Hafen vor den in stürmischen Zeiten haushohen Wellen, sondern im Inneren des Betonklotzes erzeugen 16 Turbinen nun 300 Kilowatt Strom.
Es weht ein lauer Südwind und das Meer schwappt nur lustlos gegen den grauen Betonklotz, der sich vor dem baskischen Dorf Mutriku mit einer Höhe von gut 16 Metern einen halben Kilometer in den Atlantik schiebt. Denn wenn Südwind aus Spanien weht, werden die Wellen in dem Dorf zwischen Bilbao und Donostia-San Sebastian klein geblasen. Dann kann man sich kaum vorstellen, dass es sich lohnen könnte, ausgerechnet hier das erste kommerzielle Wellenkraftwerk weltweit ans Netz gehen zu lassen.
Wellen sind nun vom Damm aus kaum auszumachen, in dessen zentralen Teil auf 75 Metern 16 Turbinen verteilt sind, die in seinem inneren Strom produzieren. Nur acht vergitterte Öffnungen weisen darauf hin, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Mole handelt.
Doch es gibt die Brecher von enormer Kraft. Sie werden wegen des Klimawandels auch hier immer stärker und höher. Etliche schwere Stürme, die in den letzten Jahren unter dem Namen “Ciclogenesis explosiva” in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sind, zeugen davon. Die explosiven Zyklogenesen, die auch den Golf von Biskaya in den letzten Jahren immer öfter heimsuchen, haben wie 2009 viele Wellenbrecher an der Atlantikküste zerstört. Doch statt die alte Mole zu reparieren, entschlossen sich die Verantwortlichen zu einem Großprojekt. Die neue Mole, die dem Hafen vorgelagert ist, wurde auf eine Dicke von fast 7 Metern weiter verstärkt, damit der Damm auch Wellen mit einer Höhe von 9,2 Metern aushalten kann.
Der Betreiber des Kraftwerks im Inneren der Mole ist der baskische Energieversorger “Ente Vasco de la Energía” (EVE). Er wurde 1982 von der baskischen Regierung zur Förderung erneuerbarer Energien gegründet. EVE hat in das Wellenkraftwerk von Mutriku 2,3 Millionen Euro investiert. Umgesetzt wurde das Projekt unter Mitwirkung von Voith Hydro, ein Gemeinschaftsunternehmen von Voith und Siemens. Gesetzt wird auf die OWC-Technologie (oscillating water column = oszillierende Wassersäule), welche die Firma seit zehn Jahren aus Forschungszwecken auf der schottischen Insel Islay mit dem Wellenkraftwerk Limpet betreibt.
Die 16 von Voith Hydro in dem Damm installierten Wellsturbinen bilden das Herzstück des Kraftwerks. Das Prinzip beruht darauf, dass die Wellen nicht direkt angezapft werden, sondern das Wasser in “pneumatische Kammern” (Betonröhren) gedrückt und im Wellental wieder herausgezogen wird. Damit wird die Luft in den Röhren komprimiert und zurückgesaugt, wodurch jeweils ein schneller Luftstrom entsteht, der die Wellsturbinen antreibt. Die produzierte Strommenge ist eher gering. Mit den bis zu 300 Kilowatt und der Jahresleistung von geschätzten 660.000 kWh können nur 250 Haushalte oder 600 der etwa 5.000 Einwohner in Mutriku mit Strom versorgt werden.
Doch es geht darum, die Potentiale der Wellenkraftwerke auszuloten. Die Größe der derzeitigen Anlagen lasse noch keine Aussage zu, “ob das einer der wichtigen Energieträger der Zukunft ist”, so der Wellenkraftexperte Kai-Uwe Graw von der Technischen Universität Dresden. Er verweist dabei auf die ersten Windräder, die zunächst auch verhältnismäßig klein waren und wenig Leistung hatten. Doch ob das Kraftwerk in Mutriku nun unter kommerziellen Bedingungen funktioniert, könne jetzt bewiesen werden, meint Graw.
Der baskische Energieversorger hofft, dass 2.000 Betriebsstunden im Jahr zusammen kommen, in dem das Kraftwerk mit voller Leistung betrieben werden kann. Der EVE-Direktor José Ignacio Hormaetxe hat bei der Einweihung der Anlage erklärt, dass mit dem Wellenkraftwerk nicht nur der Weg für Privatfirmen geebnet, sondern auch der Anteil von erneuerbaren Energien am Strom-Mix im Baskenland gesteigert werden soll. Die kommerzielle Anlage wird im Betrieb durch Spezialisten der baskischen Universität studiert, um die Leistung der Turbinen zu steigern. Das ist dringend notwendig. Zwar hat EVE keine genauen Zahlen vorgelegt, räumt aber ein, dass diese Art der Stromerzeugung bisher sogar noch teurer ist als Strom aus Solarzellen.
So verwundert es nicht, wenn Dr. Roland Münch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Voith Hydro, eine “angemessene Einspeisevergütungen für Wellenkraft” fordert. In Spanien, das viele Milliarden Euro für lange Jahre durch stark überhöhte Solarsubventionen gebunden hat, wird Wellenkraft wegen der praktisch leeren Kassen in der tiefen Wirtschaftskrise nicht gefördert.
“Das Projekt Mutriku zeigt: Unsere Technologie zur Nutzung der Wellenkraft ist kommerziell einsatzfähig und steht bereit für den weiteren Einsatz im globalen Markt”, erklärte Münch. Diese Entwicklung müsse gefördert werden, indem die richtigen politischen Rahmenbedingungen gesetzt werden, fügte er an. Denn die Firma spricht von einem gigantischen Potenzial. Das weltweite Potenzial der Meeresenergien liege bei 1,8 Terawatt und stehe erst am Beginn seiner weltweiten Erschließung. Münch hebt besonders hervor, dass die Technologie sowohl in bestehende Wellenbrecher und Hafenmauern als auch in Neubauten integriert werden kann. Damit ergebe sich eine hohe wirtschaftlich Synergie bei minimalen Eingriffen in die Umwelt.
Doch in Mutriku kann von minimalen Eingriffen in die Umwelt nicht gesprochen werden. “Schön ist das nicht”, meint die junge Dorfbewohnerin Ainara Lertxundi. Sie zeigt auf den breiten Damm, der sich nun vor den Hafen schiebt und vielen den freien Blick auf das geliebte Meer versperrt. Viele im Dorf sehen das Bauwerk aus verschiedenen Gründen mit gemischten Gefühlen.
Wie die Umweltschutzorganisation Eguzki (Sonne) wandte sich auch die lokale Initiative Hobetu Leike gegen diesen Damm. Das hat nichts damit zu tun, dass hier eine neue Energieform genutzt wird und gleichzeitig die Fischerboote effektiv vor den Wellen geschützt werden. In dem Fischerdorf sehen das eigentlich alle als eine Notwendigkeit an. Viele stören sich eher daran, dass gleichzeitig noch ein Sporthafen geschaffen wird und der kleine Strand verschwunden ist.
Auch Eguzki hält es grundsätzlich für “positiv”, bestehende Anlagen zur Stromproduktion zu nutzen, und schlägt dafür auch Santurtzi, Bermeo, Orio oder Hondarribia vor, um in den Molen Wellenstrom zu produzieren. Doch letztlich einem Hafenausbau, wie in Mutriku, einen grünen Anstrich zu geben, “ist nicht der richtige Weg”, kritisiert die Umweltschutzorganisation. Letztlich wurden nur 2,3 der 6,7 Millionen Euro für das Kraftwerk ausgegeben. Die Organisation warnt vor einer Ausbreitung des Modells, wie es sich aus Ankündigung hochrangiger Politiker ableiten ließe. Mit derlei Bauwerken ließen sich “hohe Umweltkosten nicht rechtfertigen”, die zudem für viele Kontroversen sorgten.
Einen wirklich starken Widerstand gab es in Mutriku gegen den Damm aber nicht. Im Gespräch mit den Bewohnern scheint sogar bei Zweiflern und Gegnern ein wenig stolz durch, dass hier vielleicht Historie geschrieben wird. Denn in einem Dorf wie Mutriku wäre ein solches Projekt in dieser Region nicht durchsetzbar, wenn es eine klare Ablehnungsfront gäbe. Das haben spanische Atomkraftwerksbetreiber teuer lernen müssen. In der Region waren einst drei Atomkraftwerke geplant. Trotz des massiven Widerstands wurde nur Lemoiz gebaut, das aber nie ans Netz gegangen ist.
Denn in Mutriku und der Region dominiert die kämpferische linke baskische Unabhängigkeitsbewegung. Das wird im Dorf schon dadurch deutlich, dass aus vielen Wohnungen Spruchbänder hängen, welche die Freiheit der politischen Gefangenen fordern. Den Gemeinderat dominiert klar die Linkskoalition Bildu (Sammeln), die 8 von 13 Gemeinderäten stellt. Die beiden großen spanischen Parteien kamen dagegen im Mai gemeinsam nur auf 3,5% der Stimmen.
Von der Ablehnung der großen Mole hat allerdings eine unabhängige linksgrüne Liste profitiert, die fast 9% erhalten hat. Statt des monströsen Damms hat die Liste nach holländischem Vorbild eine künstliche Insel als Wellenbrecher gefordert.
Source : http://www.heise.de/tp/artikel/35/35149/1.html
von : Ralf Streck in Telepolis > Energie